Gerade Lichtverschmutzung kann zu einem ernstzunehmenden Problem für Tiere werden. Ein altbekanntes Beispiel sind Motten und andere Insekten, die vom künstlichen Licht in der Nacht angezogen werden und dann zu Hunderten sterben. Um dem zu entgehen, haben Motten im städtischen Raum sogar begonnen eine verringerte Anziehung zum Licht zu entwickeln (Altermatt & Erber, Biology Letters 2016). Aber nicht nur Insekten scharren sich ums Licht, ein ebenso alltäglicher Anblick sind inzwischen Spinnennetze neben eben diesen Lichtquellen. „Eines Nachts ging ich eine Straße entlang und habe diese fetten Spinnen in ihren Netzen an den Straßenlaternen beobachtet und mich gefragt: entwickeln die Achtbeiner Gefallen am Licht?“, so Dr. Tomer Czaczkes, Universität Regensburg, der die Studie zur Lichttoleranz leitete. Das war der Anstoß für das Forscherteam sich mit dieser Frage zu beschäftigen. „Zuerst mussten wir eine gewöhnliche Spinnenart finden, die sowohl in urbanen wie in ruralen Gegenden vorkommt“, erklärt Dr. Cristina Tuni, Leiterin des Spinnenlabors in München. „Wir haben uns auf Steatoda triangulosa geeinigt, wahrscheinlich die häufigste Spinne in unseren Gebäuden. Wir haben nur ungefähr fünf Minuten gebraucht, um eine hinter einem Schreibtisch in unserem Büro zu finden.“ Im Gegensatz zur Stadt wurde es zur Herausforderung Eiersäcke von ländlichen Achtbeinern zu finden. Daher wurde Spinnenexperte Paolo Ghislandi in Städte und Nationalparks an der Mittelmeerküste geschickt. „Das war wirklich hart“, erzählt er, „aber zum Glück haben sich meine Verlobte und mein Hund dazu bereit erklärt mitzukommen, also habe ich es irgendwie überlebt. Der Wein hat geholfen.“
Zurück im Labor in München hat das Team die frisch geschlüpften Spinnen auf ihre Lichtpräferenz getestet. Als optimale Testumgebung haben sich quadratische Pralinenschachteln erwiesen. „Unglücklicherweise, sind die Schachteln voller Schokolade, und wir mussten achtzig davon kaufen“, erklärt Dr. Tuni. Nachdem die Schokolade „beseitigt“ wurde, konnten die Jungtiere hineingesetzt werden. „Wir haben herausgefunden, dass Jungtiere aus ländlichen Gegenden die helle Seite gemieden und ihre Netze bevorzugt im Dunklen gebaut haben“, erklärt Ana María Bastidas-Urrutia, die die Studie ausgeführt hat, „den städtischen Jungtieren war es jedoch egal, wo sie ihre Netze gebaut haben. Das Licht schien sie nicht zu stören.“
Die urbanen Spinnen scheinen ihre Abneigung gegen Helligkeit abgelegt zu haben – aber warum? „Das ist nicht ganz klar“, sagt Dr. Czaczkes. „Es könnte sein, dass sie eine Vorliebe für Licht entwickeln, da sie dort mehr Nahrung finden. Oder es könnte sein, dass es einfacher ist, innerhalb von Gebäuden zu überwintern, also Spinnen, denen das Licht nichts ausmacht, besser überleben. Es könnte beides oder etwas komplett anderes sein.“ Was jedoch offensichtlich ist: Durch den Menschen verändert sich die natürliche Umwelt stark und die Tiere müssen sich den neuen Gegebenheiten anpassen oder haben verloren.
Universität Regensburg
Originalpublikation:
Tomer J. Czaczkes, Ana-María Bastidas Urrutia, Paolo Ghislandi, Cristina Tuni, “Reduced light avoidance in spiders from populations in light-polluted urban environments”, The Science of Nature (2018).