Eine kleine Delegation der frisch gegründeten VBio Startgruppe Duisburg-Essen hat sich am 23. Juni auf den Weg zur Dezentrale Dortmund gemacht. Die Dezentrale, das „Gemeinschaftslabor für Zukunftsfragen“, ist ein FabLab (fabrication laboratory) mit aktiver biologischer Abteilung. FabLabs sind eine relativ neue Entwicklung und kamen zuerst um die Jahrtausendwende in den USA auf. Die ersten Einrichtungen dieser Art verfügten vor allem über klassisches und modernes Werkstattequipment wie CNC-Maschinen, Lasercutter und 3D-Drucker. Inzwischen kommt es jedoch immer häufiger zur Kooperation mit sogenannten Biohackern. Diese neue Strömung von Hobbybiologen konnte sich in den letzten Jahren durch immer günstigere Ausrüstung und einfachen Informationszugang relativ breit aufstellen.
Biohacking steht vor allem für Biologie auf unabhängiger und spielerischer Ebene.
Man muss nun keine wissenschaftlichen Wundertaten mit teuersten Gerätschaften in den FabLabs erwarten. Wer aber neue Inspirationen und einen spielerischen Zugang zur Wissenschaft sucht, wird hier fündig. Julia Krayer, die uns zur Dezentrale eingeladen hatte, arbeitet mit Pilzmaterialien in Konstruktion und Design. Ursprünglich aus dem Bereich des Modedesigns forscht sie nun mit Fokus auf Nachhaltigkeit an pilzbasiertem Lederersatz, Bakterienzellulose und Pilzbaustoffen. So entwirft sie zurzeit nachhaltige Akustikelemente aus Reishi, einem Pilz der eher unter Alternativmedizinern als Designern bekannt ist. Hier bekommt er einen handfesten Nutzen als feuerfestes, wasserabweisendes Material mit hervorragenden Dämmeigenschaften. Nicht nur die Dezentrale beschäftigt sich mit diesen Themen. Erst Anfang dieses Jahres hat IKEA angekündigt, seine Styroporverpackungen nach und nach durch Pilzmaterialien zu ersetzen.
Noch sind es eher Designer und Künstler die sich an biologische Themen heranwagen. Mit der Zeit wird aber deutlich, dass eine Auseinandersetzung nur in Kooperation erfolgen kann. Als Ort der kreativen Entfaltung will die Dezentrale nun auch vermehrt Biologen anziehen. Noch in diesem Jahr soll eine wissenschaftliche Hilfskraft eingestellt werden, die die biologische Arbeit unterstützen soll. Zur freien Verfügung stehen mehrere 3D-Druckern, ein Lasercutter, eine Lamina-Flow Box sowie das Know-how von verschiedenen freien Mitarbeitern. Hat man eine Idee, die man außerhalb des klassischen Laboralltags umsetzen möchte, kann man sich hier frei ausprobieren. Sei es das Drucken des 3D-Modells eines Proteins aus künstlerischen oder praktischen Gründen, eine eigene kleine Speisepilzzucht oder die individuelle Gestaltung von Laborequipment. Die Dezentrale bietet aber nicht nur die Möglichkeit zur Verwirklichung solcher Ideen: Wichtig ist vor allem der intellektuelle Austausch mit Künstlern, Designern und anderen Disziplinen. Gerade in Zeiten einer immer extremeren Spezialisierung in den Lebenswissenschaften entsteht hier ein Ort, der Austausch und Inspiration über den Tellerrand hinaus ermöglicht. Christian Denkhaus (VBIOStart Duisburg-Essen)