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Umweltpolitik hat oft unerwünschte Nebenwirkungen

Die Grafik zeigt den Flächenverbrauch der EU außerhalb ihrer Grenzen für den Anbau von Pflanzen, die nicht zum Verzehr bestimmt sind (a: Mais/Zuckerrohr; b: Ölpflanzen; c: Faserpflanzen).
Die Grafik zeigt den Flächenverbrauch der EU außerhalb ihrer Grenzen für den Anbau von Pflanzen, die nicht zum Verzehr bestimmt sind (a: Mais/Zuckerrohr; b: Ölpflanzen; c: Faserpflanzen). © Martin Bruckner et al 2019 Environ. Res. Lett. 14 045011 doi: https://doi.org/10.1088/1748-9326/ab07f5

„Gut gemeint“ ist nicht gleich „gut gemacht“: Diese Weisheit trifft auch auf Weichenstellungen in der Umweltpolitik zu. Denn allzu oft entfalten diese Nebenwirkungen, die ihrem eigentlichen Zweck sogar völlig zuwiderlaufen können. Eine aktuelle Sonderausgabe der Zeitschrift Environmental Research Letters widmet sich diesem drängenden Problem. Inhaltlich konzipiert wurde sie von Wissenschaftlern der Universität Bonn mit internationalen Partnern.

Bioplastik: das klingt grün, nachhaltig und umweltfreundlich. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Zwar sind Kunststoffe aus Mais, Weizen oder Zuckerrohr grundsätzlich nahezu klimaneutral. Außerdem schonen sie die schwindenden Erdöl-Vorkommen. Und dennoch könnte eine konsequente Umstellung von herkömmlichem Plastik auf die Öko-Alternative für die Umwelt eine schlechte Nachricht sein – zumindest beim heutigen Stand der Technik. Denn irgendwo müssen die pflanzlichen Ausgangsstoffe schließlich herkommen. Als Konsequenz würden vermutlich vermehrt Waldflächen zu Ackerland umgewandelt. Wälder binden aber erheblich mehr Kohlendioxid als etwa Mais oder Zuckerrohr – alles in allem kein guter Deal für das Weltklima, von anderen Konsequenzen wie steigenden Nahrungsmittelpreisen ganz zu schweigen.

In der Spezialausgabe der Zeitschrift „Environmental Research Letters“ finden sich eine Reihe derartiger Beispiele. Sie zeigen, dass die Rezepte gegen Klimawandel und Umweltzerstörung oft nicht so einfach funktionieren, wie sie am Reißbrett geplant wurden. „Es ist daher wichtig, die möglichen unerwünschten Folgen bereits im Vorfeld abzuschätzen und gegebenenfalls schnell die Reißleine zu ziehen“, betont Dr. Jan Börner, der an der Universität Bonn die Professur für Ökonomik Nachhaltiger Landnutzung und Bioökonomie bekleidet. „Dazu müssen wir besser verstehen, wie solche so genannten Spillover-Effekte entstehen und wie sie sich vermeiden lassen. Unser Sammelband soll dazu einen Beitrag leisten.“

Computermodelle als Entscheidungshilfe

Doch die Ursache-Wirkungs-Beziehungen sind komplex. Eine wichtige Entscheidungshilfe vor der Umsetzung politischer Maßnahmen sind daher Computermodelle: Sie erlauben zwar nicht die exakte Vorhersage, welche Konsequenzen eintreten werden. „Dazu ist ihre Treffsicherheit zu gering“, erklärt Börner. „Im Gegensatz etwa zu physikalischen Simulationen spielen in Systemen mit menschlichen Akteuren psychologische und soziologische Faktoren eine große Rolle. Und die lassen sich einfach schlecht prognostizieren.“ Immerhin können Politik-Simulationen aber aufzeigen, welche Folgen eine umweltpolitische Entscheidung haben könnte. Und damit zum Beispiel Anstöße geben, durch welche flankierenden Maßnahmen sich unerwünschte Nebenwirkungen am besten reduzieren ließen.

Erschwerend kommt hinzu, dass es sich dabei oft um Fernwirkungen handelt: Die Entscheidung, fossile gegen biogene Rohstoffe auszutauschen, wirkt sich zwar positiv auf die deutsche Kohlendioxid-Bilanz aus. Sie sorgt aber gleichzeitig dafür, dass Deutschland mehr Biomasse importieren muss und dass daher in Regionen wie Südamerika und Südostasien zusätzliche Waldflächen der Landwirtschaft geopfert werden. Durch derartige Effekte hat sich der ökologische Fußabdruck, den die EU durch ihre Importe in anderen Ländern generiert, in den letzten Jahren messbar vergrößert, zeigt eine Studie in der Sonderausgabe. Meist entstehen diese ökologischen Kosten zudem in Ländern mit einer schwachen Umwelt-Gesetzgebung. Dadurch ist die Netto-Wirkung einer solchen Politik umso verheerender.

Prof. Börner fordert daher auch eine Stärkung der Nachhaltigkeitsrichtlinien in internationalen Abkommen. „Wir müssen auf globaler Ebene diskutieren, wo es sowohl aus ökonomischer als auch aus ökologischer Sicht effizient ist, bestimmte Produkte herzustellen“, sagt er. „Wenn dadurch in manchen Regionen Märkte wegbrechen, müssen wir zudem über geeignete Kompensationsmechanismen nachdenken.“ Der sich momentan abzeichnende Trend zu bilateralen Abkommen sei aus dieser Sicht wenig hilfreich. „Wir benötigen internationale Umwelt- und Handelsabkommen, zu denen sich möglichst viele Akteure verpflichten.“

Universität Bonn


Originalpublikation:

Focus on Leakage: Informing Land-Use Governance in a Tele-Coupled World; Environmental Research Letters; https://iopscience.iop.org/journal/1748-9326/page/Leakage-Land-Use