VBIO News http://example.com VBIO News de Copyright Wed, 03 Dec 2025 20:02:45 +0100 Wed, 03 Dec 2025 20:02:45 +0100 TYPO3 news-34923 Wed, 03 Dec 2025 11:51:03 +0100 Schutz des größten Ökosystems der Erde: Kabinett beschließt Beitritt zu UN-Hochseeschutzabkommen https://www.vbio.de/aktuelles/details/schutz-des-groessten-oekosystems-der-erde-kabinett-beschliesst-beitritt-zu-un-hochseeschutzabkommen Das Bundeskabinett hat heute auf Vorschlag von Bundesumweltminister Carsten Schneider zwei Gesetzesentwürfe beschlossen, die Deutschlands Beitritt zum UN-Hochseeschutzabkommen und dessen Umsetzung möglich machen. Mit dem 2023 beschlossenen Abkommen wird erstmals weltweit die Einrichtung von Meeresschutzgebieten auf hoher See möglich. Zudem soll es Umweltprüfungen von menschlichen Aktivitäten im Ozean geben. Das Abkommen stellt erstmals einheitliche Umweltregeln für alle Staaten auf. Für den Beitritt Deutschlands, die sogenannte Ratifizierung, sind anders als in anderen Staaten zwei Gesetze notwendig: ein Vertragsgesetz und ein Umsetzungsgesetz. Das Vertragsgesetz regelt Deutschlands Beitritt als Vertragspartei zum Übereinkommen. Das Umsetzungsgesetz (Hochseeschutz-Gesetz) regelt zudem bereits die Anpassungen nationaler Gesetze an das neue Völkerrecht.  Bundesumweltminister Carsten Schneider: „Die Ozeane sind überlebenswichtig für uns Menschen. Sie erzeugen Sauerstoff, versorgen uns mit Nahrung und sind das größte Ökosystem des Planeten. Zugleich sind die Ozeane stark belastet durch Plastikmüll, Überfischung, Chemikalien und Klimawandel. Umso wichtiger sind Gebiete, in denen die Meeresnatur sich wieder erholen kann. Die Erfahrung zeigt, dass die Natur wieder zurückkehrt, wenn Meeresflächen zu Schutzgebieten zu werden. Das UN-Hochseeschutzabkommen schafft erstmals weltweite gemeinsame Regeln für die Einrichtung von Meeresschutzgebieten auf hoher See. Es ist der größte internationale umweltpolitische Erfolg der letzten Jahre. Mit der Ratifizierung wird Deutschland zu den Vertragsstaaten gehören, die an der ersten Ozean-COP teilnehmen werden. Wir arbeiten bereits jetzt mit Partnern aus Afrika, Südamerika und Asien daran, bald erste Schutzgebiete in den Ozeanen ausweisen zu können.“ 

Die hohe See umfasst rund die Hälfte der Erdoberfläche. Juristisch handelt es sich um den Bereich der Meere, der jenseits der nationalen Einflusssphären und Rechtsprechungen liegt und damit Allen bzw. Niemandem gehört. Bisher gab es für die Hochsee (engl. areas beyond national juristdiction) keine einheitlichen Umweltregeln.

Das Hochseeschutz-Übereinkommen bezieht sich entsprechend auf die Biodiversität, also die Vielfalt der Arten und Ökosysteme, in den Gewässern jenseits nationaler Zuständigkeit – englisch: Biodiversity Beyond National Jurisdiction, kurz: BBNJ. Bislang hat es 145 Unterzeichner, darunter alle EU-Mitgliedstaaten. Am 19.09.2025 hatten insgesamt 60 Staaten das Übereinkommen ratifiziert und damit das Inkrafttreten des Abkommens am 17. Januar 2026 ausgelöst. Inzwischen haben bereits 75 Staaten sowie die EU das Abkommen ratifiziert.

Wann genau die erste Vertragsstaatenkonferenz unter dem neuen Abkommen, die sogenannte Ozean-COP, stattfinden wird, ist noch offen. Im Gespräch sind August 2026 und Januar 2027. Bei dieser ersten Konferenz werden voraussichtlich noch keine Schutzgebiete ausgewiesen werden. Zunächst wird die Konferenz die Grundlagen für die Zusammenarbeit legen, damit Schutzgebiete ausgewiesen, Umweltprüfungen vollzogen und ein transparenter und gerechter Umgang mit genetischen Ressourcen aus dem Meer etwa für Medikamente oder Kosmetik hergestellt werden.

Deutschland gehört zu den treibenden Kräften bei der internationalen Zusammenarbeit im Meeresschutz. So arbeitet die Bundesregierung mit dem Projekt „Living High Seas“ gemeinsam mit fünf Partnerländern bereits an ersten Vorschlägen für Meeresschutzgebiete auf hoher See.

In Vorbereitung wurden fünf potentielle Regionen identifiziert, die ökologisch besonders wertvoll sind, z.B. die „Remetau Groups“ ins Mikronesien. In diesem Gebiet im Südwesten des Pazifiks gibt es Korallenriffe und Seeberge, die eine Fülle seltener und endemischer Arten beherbergen, darunter gefährdete Seevögel. Es verbindet die nationalen Hoheitsgebiete von Mikronesien, Papua-Neuguinea und Indonesien in der hohen See.

Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit


Beide Gesetzentwürfe finden Sie hier: https://www.bundesumweltministerium.de/GE1094

Weitere Informationen zum IKI Projekt“ Living High Seas hier: https://livinghighseas.org/about/.

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Politik & Gesellschaft Berlin
news-34922 Wed, 03 Dec 2025 11:42:19 +0100 Rote Liste: Für Raubfliegen-Arten feucht-kühler Lebensräume wird es schwerer https://www.vbio.de/aktuelles/details/rote-liste-fuer-raubfliegen-arten-feucht-kuehler-lebensraeume-wird-es-schwerer Fast die Hälfte aller Raubfliegenarten Deutschlands, nämlich 40 von 83 in Deutschland etablierten Arten, sind bestandsgefährdet oder bereits ausgestorben. Das zeigt die neue Rote Liste der Raubfliegen, die das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und das Rote-Liste-Zentrum (RLZ) jetzt veröffentlicht haben. Am stärksten gefährdet ist die Große Makelfliege (Cyrtopogon ruficornis), die nun als „Vom Aussterben bedroht“ eingestuft ist. Sie lebt in halbschattigen Bergwäldern – ein Lebensraum, der durch den Klimawandel immer weiter zurückgeht. Damit steht die Große Makelfliege stellvertretend für viele Arten, die auf kühle, strukturreiche Lebensräume angewiesen sind.  Raubfliegen sind eine in der Öffentlichkeit wenig bekannte, aber ökologisch bedeutsame Insektengruppe. Ähnlich den Libellen jagen sie andere Fluginsekten. Auch die Larven einiger Arten ernähren sich räuberisch. Zur Beute der holzbewohnenden Raubfliegenlarven gehören beispielsweise Borkenkäfer. Gegenüber Menschen verhalten sie sich friedlich. 

In der Roten Liste werden alle Raubfliegenarten, die in Deutschland etabliert sind, bewertet. 4 Arten sind ausgestorben oder verschollen (Rote-Liste-Kategorie 0), 36 Arten gelten als bestandsgefährdet (Rote-Liste-Kategorien 1, 2, 3, G), darunter eine Art, die vom Aussterben bedroht ist, 24 stark gefährdete und 10 gefährdete Arten. Für eine Art kann das Ausmaß ihrer Gefährdung nicht exakt angegeben werden. 7 weitere Arten sind "Extrem selten", 3 stehen auf der "Vorwarnliste". Lediglich 32 Arten (38,6 %) gelten aktuell als ungefährdet. Zu einer Art reichen die Daten für eine Gefährdungsanalyse noch nicht aus.

Im Vergleich zur Vorgängerliste von 2011 gab es bei einem großen Teil der Arten eine Änderung der Rote-Liste-Kategorie (43,4 %). Ein Teil dieser Änderungen ist das Ergebnis einer verbesserten Datengrundlage, zu der auch Citizen-Science-Plattformen wie zum Beispiel „Observation.org“, „iNaturalist.org“ oder „insekten-sachsen.de“ beigetragen haben. Auf ihnen haben zahlreiche naturinteressierte Bürger*innen Fotonachweise übermittelt und so die Arbeit der Fachleute unterstützt. 

„Über die Hauptursachen der Rückgänge gibt es keine Zweifel“, sagt Sabine Riewenherm, Präsidentin des BfN: „Die neue Rote Liste zeigt deutlich, dass der Rückgang der kleinräumigen Strukturvielfalt in der Landschaft gravierende negative Folgen für die Raubfliegen hat. Gleichzeitig eröffnen sich aber auch Chancen. So finden manche Raubfliegenarten mit einer Vorliebe für spärlich bewachsene Flächen in ehemaligen Tagebaugebieten neue Lebensräume.“

Die Ausbreitung einiger wärmeliebender Arten wie der Fransen-Mordfliege (Choerades fimbriata) und der Klöppel-Schlankfliege (Leptogaster subtilis) trägt zu den positiven Änderungen von Rote-Liste-Kategorien bei. Der Klimawandel dürfte aus Sicht der Rote-Liste-Expert*innen auch bei den gestiegenen Nachweiszahlen einer der bekanntesten deutschen Raubfliegenarten, der Hornissen-Raubfliege (Asilus crabroniformis), eine Rolle spielen: Die Art wird nun als „Gefährdet“ eingestuft und nicht mehr, wie in der Vorgängerliste, als „Stark gefährdet“. 

Trotz solcher Einzelbeispiele bleibt die Gesamtsituation kritisch. Mehr als die Hälfte der Arten (56,6 %) sind entweder bereits ausgestorben oder verschollen, bestandsgefährdet oder extrem selten. Neu in der Kategorie der in Deutschland ausgestorbenen Arten sind jetzt auch die Steppen-Raubfliege (Cerdistus graminicola) und die Bronze-Mordfliege (Pogonosoma minor). Wie die Südliche Raubfliege (Antiphrisson trifarius) und der Große Sandwicht (Stichopogon albofasciatus), deren Verlust schon bekannt war, konnten die Arten nicht mehr nachgewiesen werden. Besondere Verantwortung trägt Deutschland für die Kleine Rabaukenfliege (Holopogon dimidiatus). Diese Raubfliegenart kommt hauptsächlich in Osteuropa und Westasien vor. Die wenigen Populationen in Deutschland sind hochgradig isoliert von anderen Populationen und daher besonders schutzbedürftig.

Um die in Deutschland vorkommenden Raubfliegen besser zu schützen, identifizierten die Autoren wichtige Schutzmaßnahmen: Zum einen sollten Schutzgebiete mit offener Vegetation wie Sandmagerrasen und Heiden vergrößert und besser vernetzt werden. Diese Lebensstätten und Reproduktionshabitate sind durch eine gut angepasste Nutzung oder Pflege zu erhalten. Bei der Bewirtschaftung von Grünland sollten arten- und blütenreiche Vegetationstypen gegenüber den auf Massenertrag ausgerichteten Grasbeständen stärker gefördert werden. Lichtreiche Waldbestände mit Totholz sind ebenfalls zu erhalten. 

Danny Wolff, Hauptautor der Roten Liste, weist auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin: „Viele der anspruchsvolleren Raubfliegen sind sogenannte Biotopkomplexbewohner. Sie benötigen für die Eiablage, die Larvalentwicklung und den Nahrungserwerb oftmals ein Mosaik unterschiedlicher Lebensräume. Leidet die Qualität eines einzelnen Teilhabitats, kann sich daraus schon eine lokale Gefährdung ergeben.“

Bundesamt für Naturschutz


Weitere Informationen:

Rote Liste der Raubfliegen als elektronische Veröffentlichung: https://www.rote-liste-zentrum.de/de/Download-Wirbellose-Tiere-1875.html

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Wissenschaft Bundesweit
news-34920 Wed, 03 Dec 2025 11:25:12 +0100 Spätzünder mit Sprungkraft: Warzenbeißer wird „Insekt des Jahres 2026“ in Deutschland, Österreich und der Schweiz https://www.vbio.de/aktuelles/details/spaetzuender-mit-sprungkraft-warzenbeisser-wird-insekt-des-jahres-2026-in-deutschland-oesterreich-und-der-schweiz Der Warzenbeißer (Decticus verrucivorus) ist das Insekt des Jahres 2026 für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Das Kuratorium „Insekt des Jahres“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Thomas Schmitt, Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut in Müncheberg, wählte die markante Langfühlerheuschrecke aus einer Reihe von Vorschlägen. Der Warzenbeißer erhielt seinen ungewöhnlichen Namen aufgrund des alten Volksglaubens, sein kräftiger Biss und sein „scharfer Saft“ könnten Warzen heilen. Das bis zu vier Zentimeter große Tier steht exemplarisch für die bedrohte Insektenvielfalt von halbtrockenen Wiesenlandschaften.  Der Warzenbeißer ist mit seinem bulligen Körper, den langen Fühlern und dem charakteristischen würfelförmigen Muster auf den kurzen Vorderflügeln kaum zu verwechseln. „Seine Farben reichen von leuchtendem Grün bis zu erdigen Brauntönen – eine erstaunliche Variabilität, die ihn in vielen Habitaten anpassungsfähig macht“, erklärt Kuratoriumsvorsitzender Prof. Dr. Thomas Schmitt, Direktor des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg und fährt fort: „Aufgrund ihrer hohen ökologischen Ansprüche sind größere Populationen des Warzenbeißers aber nur dann anzutreffen, wenn ausreichend große Flächen für die Insekten zur Verfügung stehen.“ 

Der Warzenbeißer ist in ganz Europa und Asien verbreitet, und auch in Deutschland findet man ihn im gesamten Bundesgebiet. Dennoch führt der Wandel in der Landschaft zu einem Rückgang dieser Langfühlerheuschrecken: „Die intensivere Landwirtschaft, Drainage und Aufforstung zerstören seine Lebensräume – offene, halbtrockene Magerrasen, die für die Art so wichtig sind, verschwinden immer mehr“, warnt Schirmherr Prof. Dr. Martin Husemann, Direktor am Naturkundemuseum Karlsruhe. Besonders problematisch sei die Isolierung kleiner Populationen – genetischer Austausch werde erschwert, wenn natürliche Korridore fehlten. 

Seinen ungewöhnlichen Namen verdankt der Warzenbeißer einem alten Volksglauben: Man war überzeugt, dass der kräftige Biss und der „scharfe Saft“ des Insekts Warzen heilen könnten. „Ob diese Kur wirklich wirksam war, ist bis heute nicht geklärt – schmerzhaft war sie aber in jedem Fall“, so Schmitt. Auch der Lebenszyklus des Warzenbeißers ist spannend: Er bildet nur eine Generation pro Jahr. Die Weibchen legen im Spätsommer und Herbst 200 bis 300 Eier im Boden ab – manche überdauern dort bis zu sieben Jahre. „Schlüpfen dann diese larvalen ‚Spätzünder‘, brauchen sie viel Wärme und Sonne, um zu überleben. Auch wenn die Jungtiere sich in hoher Vegetation vor Fraßfeinden verstecken, ist die Sterblichkeitsrate bis zum Erreichen der adulten Erscheinung sehr hoch“, so Schmitt. Erwachsene Tiere sind von Juni bis Oktober aktiv, am häufigsten im August. Neben pflanzlicher Nahrung sind sie vor allem räuberisch und jagen andere Insekten. Obwohl Decticus verrucivorus flugfähig ist, setzen die tagaktiven Tiere vor allem auf kräftige Sprünge.

Vögel sind bedeutende Fressfeinde, doch das Tarnverhalten und eine Strategie des Versteckens schützen den Warzenbeißer häufig. „Männchen klettern auf Pflanzen, um von dort mit ihrem Gesang Weibchen anzulocken – bei Gefahr verstummen sie aber und lassen sich leise zu Boden fallen. Damit entgehen sie vielen Feinden“, so Schmitt. Historische Berichte schreiben sogar von regelrechten Kämpfen mit Vögeln, bei denen die Heuschrecken „ätzenden Saft“, gemeint ist der Verdauungssaft, verspritzten. Auch Parasiten wie Fadenwürmer und Fliegenmaden stellen eine tödliche Bedrohung für die Insekten dar.

Die langsam beginnenden und dann immer schneller werdenden, markanten „Zick“-Laute des Männchens sind bei Sonnenschein ab etwa 23 Grad Celsius zu hören. „Der Ruf des Warzenbeißers erinnert an den Motor eines alten Traktors“, beschreibt Husemann. Die Männchen singen nicht nur, um Weibchen anzulocken, sondern auch, um Rivalen zu vertreiben: „In ihrem wenige Quadratmeter großen Revier reagieren sie mit unregelmäßiger Versfolge auf Konkurrenten – ein akustisches Duell.“

Mit der Wahl des Warzenbeißers zum Insekt des Jahres 2026 soll auch auf die Erhaltung von Magerrasen und extensiv genutzten Wiesen aufmerksam gemacht werden. „Er ist ein Botschafter für gefährdete Lebensraumtypen. Nur durch naturschutzorientierte Pflege, die Vernetzung von Flächen und eine nachhaltige Bewirtschaftung kann das Fortbestehen dieser Art gesichert werden“, schließt Schmitt.

Das Insekt des Jahres wird seit 1999 gekürt. Die Idee hierzu stammte vom Prof. Dr. Holger Dathe, damaliger Leiter des heutigen Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg. Ein Kuratorium, dem namhafte Insektenkundler*innen und Vertreter*innen wissenschaftlicher Institutionen angehören, wählt das Insekt jedes Jahr aus verschiedenen Vorschlägen aus.

Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

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Wissenschaft Bundesweit
news-34914 Wed, 03 Dec 2025 11:08:52 +0100 Ameisen signalisieren tödliche Infektion https://www.vbio.de/aktuelles/details/ameisen-signalisieren-toedliche-infektion Eine Ameisenkolonie ist ein „Super-Organismus“. Wie Zellen im Körper kooperieren die Einzeltiere, um die Kolonie gesund zu halten. Forschende am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) zeigen nun, dass unheilbar kranke Ameisenbrut – ähnlich infizierter Körperzellen – ein Geruchssignal aussendet, das über ihren baldigen Tod und die damit einhergehende Ansteckungsgefahr informiert. Dieses ausgeklügelte Frühwarnsystem erlaubt schnelles und zuverlässiges Erkennen und Entfernen von Krankheitserregern aus der Kolonie.  Oftmals versuchen in Gruppen lebende Tierarten ihre Krankheitssymptome zu verheimlichen, um nicht aus dem Sozialleben ausgeschlossen zu werden. Ameisenbrut macht genau das Gegenteil: Kranke Ameisenpuppen senden der Kolonie ein Alarmsignal, das zeigt, dass sie eine unheilbare Infektion besitzen und bald zum Ansteckungsrisiko für die Kolonie werden. 
Die Arbeiterinnen der Kolonie reagieren sofort auf dieses Warnsignal; erst packen sie die tödlich erkrankten Puppen aus, dann beißen sie kleine Öffnungen in deren Haut, um dann ihr antimikrobielles Gift aufzutragen – ihr eigens produziertes Desinfektionsmittel, die Ameisensäure. Durch diese Behandlung werden die sich im Inneren der Puppe vermehrenden Krankheitserreger sofort abgetötet, doch auch die Puppe selbst übersteht den Desinfektionsprozess nicht. 

„Was zunächst wie Selbstaufopferung wirkt, bringt auch dem Tier, das das Signal sendet, indirekt einen Vorteil, da es seine Verwandten schützt. Durch ihr Warnsignal sichert eine an einer tödlichen Infektion erkrankte Ameise die Gesundheit der Gesamtkolonie und die Produktion neuer Tochterkolonien. Diese tragen ebenfalls die Gene der sich aufopfernden, kranken Ameisen in die nächste Generation weiter“, erklärt Erstautorin der Studie, Erika Dawson, über ihr abgeschlossenes Postdoc-Projekt in der „Social Immunity“-Forschungsgruppe von Professorin Sylvia Cremer am ISTA. 

Gemeinsam mit dem chemischen Ökologen Thomas Schmitt von der Universität Würzburg beschreibt das Forschungsteam hiermit erstmals dieses altruistische Krankheits-Signalsystem bei sozialen Insekten. Würde eine todkranke Ameise jedoch ihre Symptome verstecken, unerkannt in der Kolonie umkommen und schließlich hochinfektiös werden, würde nicht nur sie selbst sterben, sondern auch ein Großteil der Kolonie. Gäbe es dieses Frühwarnsystem also nicht, könnte die Kolonie Krankheiten erst viel später erkennen und bekämpfen. 

Altruismus im Superorganismus 

Auf der Kolonieebene sind Ameisen wie ein gemeinsamer Organismus aufgebaut, ein sogenannter „Superorganismus“. Es gibt eine oder mehrere Königinnen, die für den Nachwuchs sorgen, und die nichtfruchtbaren Arbeiterinnen, die sich um die Erhaltung und Gesundheit der Kolonie kümmern. Das ist sehr ähnlich wie Zellen im menschlichen Körper, die ebenso spezialisiert sind und entweder für die Fortpflanzung (die Zellen der Keimbahn) oder für die restlichen Körperfunktionen (die somatischen Zellen) verantwortlich sind. 
Egal ob im Organismus oder im Superorganismus: weder Keimbahn noch Soma sind eigenständig. Sie sind gegenseitig aufeinander angewiesen und bilden nur gemeinsam den Körper bzw. die Kolonie. Kooperation ist also essentiell. Wie die Zellen im Körper arbeiten, also auch die einzelnen Ameisen zusammen, bis hin zur altruistischen Selbstaufgabe. 

Das ‚Find-me and eat-me‘-Signal

Warum jedoch sollte sich ein kompliziertes Frühwarnsystem entwickeln, wenn sich kranke Tiere doch einfach aus der Kolonie zurückziehen können? 
„Erwachsene Ameisen, die kurz vor ihrem Tod stehen, verlassen das Nest und sterben außerhalb der Kolonie. Auch Arbeiterinnen, die sich gerade mit Pilzsporen angesteckt haben, zeigen ‚social distancing‘“, so Cremer. Sie führt aber weiter aus: „Allerdings ist das nur Tieren möglich, die selbst mobil sind. Erkrankte Ameisenbrut in der Kolonie oder infizierte Zellen im Gewebeverband sind nicht sehr beweglich und haben diese Möglichkeit nicht.“ 

Körperzellen und Ameisenbrut, wie die sich entwickelnden Puppen, sind also auf die Hilfe anderer angewiesen, um den Gesamtverband zu beschützen. Interessanterweise lösen beide das Problem auf die genau gleiche Weise: Sie senden ein chemisches Signal aus, das entweder die Immunzellen des Körpers oder die Arbeiterinnen der Kolonie anlockt, um sie als zukünftige Ansteckungsquelle zu erkennen und zu entfernen. Immunolog:innen nennen dieses Phänomen ‚Find-me and eat-me‘-Signal. 

„Wichtig ist, dass ein solches Signal sowohl sensitiv wie auch spezifisch ist“, führt Sylvia Cremer weiter aus. „Das bedeutet, dass alle unheilbar erkrankten Ameisenpuppen aufgespürt werden sollten, aber keine gesunden Puppen, oder solche, die mit ihrem eigenen Immunsystem die Infektion überwinden können, ausgepackt werden.“ Wie sieht also ein Signal aus, das so präzise ist?

Veränderung des Körpergeruchs

Thomas Schmitt, dessen Forschungsschwerpunkt auf der geruchlichen Kommunikation bei sozialen Insekten liegt, erklärt: „Arbeiterinnen behandeln einzelne Puppen ganz gezielt. Der Geruch liegt also nicht in der Nestkammer ‚in der Luft‘, sondern er ist ganz eng mit der erkrankten Puppe verknüpft: somit war klar, dass es keine flüchtigen Duftstoffe sein können, sondern nicht-flüchtige Geruchsstoffe auf der Oberfläche der Puppe selbst.“ 

Bei todkranken Puppen werden im Besonderen zwei Geruchskomponenten ihres natürlichen körpereigenen Duftprofils intensiviert. Um zu beweisen, dass dieser veränderte Körpergeruch alleine ausreicht, um das Hygieneverhalten der Arbeiterinnen auszulösen, gingen die Forschenden noch einen Schritt weiter: Sie haben das Signal auf gesunde Puppen übertragen und dann die Reaktion der Arbeiterinnen beobachtet. 

„Wir haben das Geruchssignal von erkrankten Puppen abgewaschen und auf gesunde Brut transferiert“, erklärt Cremer den Versuchsansatz. Das Ergebnis war eindeutig. Der übertragene Signalgeruch alleine reichte aus, um die destruktive Behandlung durch die Arbeiterinnen auszulösen. Daher wird klar, dass der veränderte Körpergeruch unheilbar infizierter Brut die gleiche Funktion in der Ameisenkolonie übernimmt wie das ‚Find-me and eat-me‘-Signal infizierter Zellen im Körper. 

Signalisieren nur im Ernstfall

Laut Dawson ist es besonders faszinierend, dass Ameisen nicht jede Infektion sofort signalisieren. „Die Königinnen-Puppen konnten dank ihres starken Immunsystems die Infektion selbst eindämmen und sendeten kein Warnsignal an die Kolonie. Die Arbeiterinnen-Puppen dagegen wurden aufgrund ihres schwächeren Immunsystems von der Infektion überwältigt und signalisierten ihre unheilbare Krankheit dann an die Kolonie.“ 

Indem die kranke Brut erst ein Warnsignal sendet, sobald sie den eigenen Kampf gegen die Infektion verloren hat, ermöglicht sie der Kolonie, ernste Gefahren zu erkennen und proaktiv darauf zu reagieren. Gleichzeitig jedoch werden Tiere, die eigenständig die Infektion überwinden können, nicht unnötig geopfert. „Genau diese Feinabstimmung zwischen der individuellen und der Kolonie-Ebene macht dieses altruistische Krankheitssignal so effizient,“ fasst Cremer zusammen.

Institute of Science and Technology Austria


Originalpublikation: 

Dawson, E.H., Hoenigsberger, M., Kampleitner, N. et al. Altruistic disease signalling in ant colonies. Nat Commun 16, 10511 (2025). doi.org/10.1038/s41467-025-66175-z

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Wissenschaft International
news-34897 Wed, 03 Dec 2025 10:44:06 +0100 Intelligente Hydrogel-Mikrostrukturen ermöglichen präzise Kraftausübung auf zelluläre Systeme https://www.vbio.de/aktuelles/details/intelligente-hydrogel-mikrostrukturen-ermoeglichen-praezise-kraftausuebung-auf-zellulaere-systeme Innerhalb von Geweben sind Zellen in komplexe, dreidimensionale Strukturen eingebettet, die sogenannte extrazelluläre Matrix. Ihre biomechanischen Interaktionen spielen eine entscheidende Rolle bei zahlreichen biologischen Prozessen. Forschende des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts (MPL) haben nun ein neuartiges Lab-on-a-Chip-System auf Basis intelligenter Hydrogelstrukturen entwickelt, das die Ausübung präziser Druckkräfte auf zelluläre Mikroumgebungen ermöglicht. Die kürzlich vorgestellte Methode könnte künftig Anwendungen in der medizinischen Diagnostik bei mechanischen Störungen in lebenden Geweben finden.  Biomechanik von Zellen in Lab-on-a-Chip-Methode nachgestellt

Die mechanische Umgestaltung der extrazellulären Mikroumgebung spielt eine entscheidende Rolle bei biologischen Prozessen wie der Entwicklung und Aufrechterhaltung physiologischer Gleichgewichtszuständen (Homöstase), sowie bei der Wundheilung. Ihre Nachbildung im Labor kann Aufschlüsse über die Ursachen pathologischer Veränderungen liefen. Bisherige instrumentelle Methoden ließen sich jedoch nicht in Lab-on-a-Chip-Systeme integrieren und boten nur begrenzte Genauigkeit. Das Team um Dr. Katja Zieske, Leiterin der unabhängigen Forschungsgruppe ›Molekulare Biophysik & Lebende Materie‹ am MPL, präsentiert nun eine neue Methode, mit der sich räumlich und zeitlich kontrollierte mechanische Störungen biologischer Polymernetzwerke auf einem Lab-on-a-Chip-System simulieren lassen. Biologische Prozesse können bei solchen Störungen so mikroskopisch untersucht werden.

Intelligente Hydrogele als Mikromaschinen

Die Wissenschaftler*innen nutzen intelligente Hydrogel-Mikrostrukturen. Diese leistungsstarken Materialien bestehen aus Polymeren, die auf Reize wie Licht oder Temperatur mit einer Änderung ihrer Struktur reagieren. Je nach Impuls ziehen sie sich zusammen oder dehnen sich aus. Diese Eigenschaften machten sich die Forschenden am MPL zunutze, um gezielt definierte biomechanische Krafteinwirkung auf biologische Polymernetzwerke wie Kollagen auszuüben. Zusätzlich konnten Wissenschaftler*innen die Kompatibilität des Systems mit lebenden Zellen evaluieren.

Zunächst hat das Team um Zieske thermoresponsive Hydrogel-Mikrostrukturen in Strömungskammern hergestellt und optimiert. Die Ausdehnung der Hydrogel-Mikrostrukturen wurde unter zeitlich kontrolliertem Temperaturreiz zur Kompression verschieden Molekülnetzwerken getestet, etwa Matrigel, eine gelartige Proteinmischung, sowie ein Kollagennetzwerk. Nach Komprimierung wurde die jeweilige Verformung gemessen. Während sich Matrigel plastisch verformte, entspannte sich Kollagen elastisch. Durch diese Nachahmung von zellulären Druckkräften mittels intelligenter Hydrogel-Mikrostrukturen, liefert das Team um Zieske ein neues vielseitiges System für Forschungszwecke. Gegenstand künftiger Studien können einerseits die Umgestaltung der extrazellulären Matrix als auch die Auswirkungen mechanischer Kräfte auf ihre zelluläre Mikroumgebung sein – sowohl im physiologischen als auch in pathologischen Kontext.

„Unsere Methode erlaubt es, mechanische Kräfte mit hoher räumlicher und zeitlicher Präzision zu erzeugen und die Auswirkungen auf biologische Systeme zu erfassen. In Kollagen konnten wir Veränderungen, die durch diese Kräfte ausgelöst wurden, noch in Distanzen von hunderten Mikrometer Entfernung nachweisen, indem wir fluoreszierende Mikrokügelchen verfolgten“, sagt Vicente Salas-Quiroz, Erstautor der vorgestellten Arbeit. 
„Unsere Vision ist es, smarte Mikrostrukturen für die medizinische Diagnostik zu entwickeln, um einen Beitrag zu einem zukunftsfähigem Gesundheitssystem zu leisten – etwa bei der Untersuchung von 3D-Zellmodellsystemen, wie Krebsmodellen und Modellen für die Blutgefäßbildung. Intelligente Hydrogel-Mikrostrukturen in Lab-on-a-Chip-Systemen könnten künftig als Mikromaschinen dienen, um Gewebemodelle auf der Mikrometer-Skala zu manipulieren. Wir sehen hier großes Potenzial für den diagnostischen Einsatz“, ergänzt Zieske.

Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts


Originalpublikation:

Vicente Salas-Quiroz, Katharina Esch, and Katja Zieske. Stimulus-induced mechanical compaction of biological polymer networks via smart hydrogel microstructures. Lab Chip, 2025,25, 5894-5905. DOI: https://doi.org/10.1039/D5LC00477B

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Wissenschaft Biobusiness Bayern
news-34856 Tue, 02 Dec 2025 17:14:31 +0100 Versorgung – aber sicher! „Wissenschaft verbindet“ informiert Bundestagsabgeordnete https://www.vbio.de/aktuelles/details/versorgung-aber-sicher-wissenschaft-verbindet-informiert-bundestagsabgeordnete "Wissenschaft verbindet" – das machten die Gesellschaften aus Physik (DPG), Geowissenschaften (DVGeo), Mathematik (DMV), Chemie (GDCh) und Biologie (VBIO) einmal mehr deutlich. Anfang Dezember luden sie wieder zu einem gemeinsamen Parlamentarischen Abend in die Parlamentarische Gesellschaft nach Berlin ein. Dieses Jahr stand das Thema „Versorgungssicherheit“ im Mittelpunkt. Die Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft vermittelten dabei Einblicke in aktuelle Herausforderungen und konkrete Forschungsprojekte. Darüber hinaus stellten sie auch Lösungsansätze vor, die dazu beitragen können, die Versorgung in so unterschiedlichen Bereichen wie „Rohstoffe“, „Energie“, „Grundwasser“, „Ernährung“ sowie „Antibiotika“ zu sichern. Im Fokus des Abends standen vertiefte Gespräche an „Thementischen“, an denen Expert/-innen aus Mathematik und Naturwissenschaft die Parlamentarier aus erster Hand informierten und Fragen beantworteten. Den Einstieg in die Gespräche vermittelten anschauliche Exponate – so etwa das Modell eines Hochspannungsmasters, Manganknollen oder Batteriezellen. PIA 41 (eine pilzresistente Apfelsorte), Kürbisse, Bohnen, Zuckerrüben und eine Schere weckten die nötige Aufmerksamkeit, um mit Prof. Dr. Katharina Markmann (Universität Würzburg) und Prof. Dr. Henryk Flachowsky (Julius-Kühn-Institut, Dresden) über die Versorgungssicherheit im Bereich von Ernährung und Landwirtschaft zu diskutieren.

Prof. Dr. Christine Beemelmanns vom Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung im Saarland hingegen weckte Interesse mit dem Citizen Science Projekt “Microbelix” und seinem Maskottchen, einer Plüschtierfassung der Mikrobe Myxxococcus xanthus. Diese dienten als Beispiele, um über innovative Ansätze zur Gewinnung neuer Antibiotika zu berichten, die angesichts zunehmender Resistenzen dringend benötigt werden.

 (VBIO)

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VBIO Bundesweit
news-34847 Tue, 02 Dec 2025 12:01:05 +0100 Ökologische Wechselwirkungen in Kläranlagen beeinflussen Antibiotikaresistenzen https://www.vbio.de/aktuelles/details/oekologische-wechselwirkungen-in-klaeranlagen-beeinflussen-antibiotikaresistenzen Das Zusammenspiel von Viren, mikrobiellen Räubern und Bakterien bestimmt maßgeblich die Zusammensetzung von Resistenzgenen im Abwasser. Antibiotika gehören zu den wichtigsten medizinischen Werkzeugen, doch ihre Wirksamkeit wird zunehmend durch die globale Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen bedroht. Kläranlagen gelten dabei als zentrale Knotenpunkte, an denen sich resistente Bakterien und ihre Gene ansammeln und weiterverbreiten können. Ein besseres Verständnis ihrer ökologischen Steuerungsmechanismen ist daher entscheidend – sowohl für den Gesundheits- als auch den Umweltschutz.

Ein Forschungsteam der Universität Koblenz zeigt nun, dass biologische Wechselwirkungen in Kläranlagen stärker auf die Vielfalt von Antibiotikaresistenzgenen wirken als bisher angenommen. Dessen in der Fachzeitschrift Microbiome veröffentlichte Studie demonstriert, dass Viren und protistische Räuber – nicht näher miteinander verwandte mikroskopisch kleine Lebewesen und lange unterschätzte Akteure im mikrobiellen Gefüge – maßgeblich die Struktur der bakteriellen Gemeinschaften prägen. Die Diversität dieser trophischen Gruppen wirkt sich wiederum direkt auf die Vielfalt der Resistenzgene aus.

„Unsere Ergebnisse belegen, dass man das gesamte ökologische Netzwerk betrachten muss, um Resistenzentwicklungen zu verstehen“, erklärt Prof. Dr. Kenneth Dumack von der Abteilung Biologie der Universität Koblenz. „Viren und Protisten formen die bakterielle Gemeinschaft, und genau diese Struktur entscheidet darüber, welche Resistenzgene sich durchsetzen. Das eröffnet neue Perspektiven für nachhaltige Wassertechnologien.“
Die Studie zeigt, dass sowohl virale Infektionsprozesse als auch protistische Prädation zu höherer bakterieller Diversität beitragen können. Gleichzeitig reagieren die beteiligten Mikroorganismen sensibel auf Umweltfaktoren wie Temperatur und pH-Wert, was die saisonale Dynamik zusätzlich verstärkt.

Ausbildung für eine nachhaltige Wasserwirtschaft an der Universität Koblenz
Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig ein tiefes Verständnis mikrobieller Ökosysteme für die Entwicklung zukunftsfähiger Wassertechnologien ist. Hier setzen die innovativen Studiengänge Bachelor of Science (B. Sc.) und Master of Science (M. Sc.) Gewässerkunde und Wasserwirtschaft der Universität Koblenz an.

Sie verbinden Ökologie, Mikrobiologie, Chemie und Ingenieurwissenschaften und bereiten Studierende darauf vor, sowohl natürliche Gewässersysteme als auch technische Infrastrukturen wie Kläranlagen nachhaltig zu gestalten.

„Wir wollen Studierende befähigen, die Wasserwelt der Zukunft ganzheitlich zu verstehen und verantwortungsvoll weiterzuentwickeln“, betont Dumack.

Universität Konstanz


Originalpublikation: 

Weiss A., Elena A.X., Klümper U., Dumack K. (2025). Viral and eukaryotic drivers of prokaryotic and antibiotic resistance gene diversity in wastewater microbiomes. Microbiome. DOI: 10.1186/s40168-025-02307-3

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Wissenschaft Rheinland-Pfalz
news-34846 Tue, 02 Dec 2025 11:44:18 +0100 Rückgang von Insekten-Biomasse geht mit Verlust von Arten einher https://www.vbio.de/aktuelles/details/rueckgang-von-insekten-biomasse-geht-mit-verlust-von-arten-einher Mehr als 90 Prozent des lokalen Insektenbiomasse‑Rückgangs in deutschen Grünlandflächen (Wiesen und Weiden) lassen sich auf Artenverluste zurückführen. Dies stellt ein Risiko für Ökosystem-Funktionen dar. Die in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution veröffentlichten Ergebnisse beruhen auf Daten von zwei Forschungsprojekten, in denen Forschende über einen Zeitraum von elf Jahren Arthropoden – Insekten und Spinnen – gezählt, bestimmt und ihre Masse berechnet haben. In der Studie bezieht sich die Gesamtbiomasse auf das Gewicht der Arthropoden in einer Gemeinschaft, also das Gesamtgewicht aller Insekten und Spinnen in den untersuchten Ökosystemen.

Das internationales Forschungsteam unter der Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena, stellte fest, dass der Rückgang der Biomasse im Lauf der Zeit hauptsächlich auf das Verschwinden häufiger Arten zurückzuführen ist. Das Verschwinden seltener Arten oder Rückgänge der Abundanz – also der Zahl der Individuen – innerhalb verbleibender Arten spielten dagegen eine weitaus geringere Rolle.

„Unsere Ergebnisse sind in zweierlei Hinsicht besorgniserregend: Zum einen nahm die Gesamt-Biomasse der Arthropoden ab, und zum anderen sind auch die Arten weniger und in ihren jeweiligen Beiträgen zur Biomasse immer ähnlicher geworden“, erklärt Dr. Benjamin Wildermuth von iDiv und der Universität Jena, Erstautor der Studie. „Am Ende des Untersuchungszeitraums war der Artenverlust, unabhängig von Seltenheit oder Größe, der Hauptgrund für den Biomasse-Rückgang.“

Daten zur Biomasse erhoben unter unterschiedlichen Bewirtschaftungsbedingungen

Die Daten der Studie stammen von zwei Forschungsprojekten in Deutschland: dem Jena-Experiment, das Grünland mit kontrollierten Pflanzenartenzahlen untersucht, und den Biodiversitäts-Exploratorien, Beobachtungsgebiete, in denen Grünland unterschiedlicher Nutzungsintensität erfasst wird.

Die Forscherinnen und Forscher verwendeten ökologische Modellierungen, um die Veränderungen der Biomasse von Arthropoden im Laufe der Jahre zu verfolgen. Dabei stellten sie die Frage, ob der Rückgang der Biomasse von Arthropoden eher davon bestimmt wird, wie viele Arten verschwinden, oder davon, welche Arten verloren gehen bzw. ersetzt werden. Sie untersuchten auch die Auswirkungen des Rückgangs der Abundanz bei den verbleibenden Arten. Diese Unterscheidungen, insbesondere zwischen der Zahl der verlorenen Arten und der Identität dieser Arten, sind ein wichtiges und einzigartiges Merkmal der Studie.

In den ersten Jahren zeigten die Daten, dass die Identität der Arten eine Rolle spielte: Der Verlust seltener, aber größerer Arten hatte einen überproportionalen Einfluss auf die Veränderung der Biomasse und dämpfte den Rückgang der Gesamtbiomasse. Ein Beispiel hierfür ist der Unterschied zwischen dem Verlust einer großen, aber seltenen Heuschrecke und einem kleinen, aber häufig vorkommenden Flohkäfer, wobei es sich hierbei nur um ein Beispiel handelt, das nicht aus der Studie selbst stammt. Später trugen alle Arten gleichermaßen zum Rückgang der Biomasse bei. Die Forschenden fanden auch heraus, dass der Rückgang der Häufigkeit innerhalb der verbleibenden Arten im Laufe der Zeit nur fünf bis acht Prozent des Rückgangs ausmacht.

Eine weitere Erkenntnis war, dass eine hohe Pflanzenartenzahl und eine geringe Nutzungsintensität größere Gemeinschaften von Arthropoden förderten – in Bezug auf Biomasse, Artenvielfalt und Abundanz – und dazu führten, dass sich die Biomasse auf viele Arten unterschiedlicher Größe und Abundanz verteilte.

Jede Art ist wichtig

Arthropoden sind ein unverzichtbares Glied in den Nahrungsnetzen von Grünland. Wenn die Gesamtbiomasse abnimmt und sich auf wenige Arten konzentriert, verlieren die Lebensgemeinschaften an Vielfalt und werden anfälliger für Umweltbelastungen. 

Hintergrund der Studie war die Sorge, dass eine abnehmende Arthropodenbiomasse die Nahrungsnetze schwächen und die Funktionen der Ökosysteme stören könnte – vom Nährstoff- und Kohlenstoffkreislauf bis hin zum Energiefluss zu Arten, die sich von Arthropoden ernähren.

„Unsere Studie zeigt erneut, dass ein wirksamer Naturschutz einen ganzheitlichen Ansatz erfordert“, sagt iDiv-Mitglied Dr. Anne Ebeling von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Senior-Autorin der Studie. „Jede Art spielt eine Rolle für das Funktionieren eines Ökosystems, daher können wir es uns nicht leisten, auch nur eine davon zu verlieren.“

Die Autorinnen und Autoren sehen eine mögliche Strategie gegen die Abnahme der Arthropoden-Vielfalt darin, Grünland zu diversifizieren und bestehendes, artenreiches Grünland zu erhalten. Sie weisen jedoch darauf hin, dass die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren sind, da nur lokale Arthropodengemeinschaften in Grünland gemäßigter Breiten untersucht wurden.

Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig


Originalpublikation:

Wildermuth, B., Bröcher, M., Ladouceur, E., Meyer, S. T., Schielzeth, H., Staab, M., Achury, R., Blüthgen, N., Hertzog, L., Hines, J., Roscher, C., Schweiger, O., Weisser, W. W., Ebeling, A. (2025). Arthropod species loss underpins biomass declines. Nature Ecology & Evolution. DOI: https://doi.org/10.1038/s41559-025-02909-y

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Wissenschaft Sachsen
news-34845 Tue, 02 Dec 2025 10:44:00 +0100 Geruch fettiger Lebensmittel während der Schwangerschaft fördert Fettleibigkeit in der nächsten Generation https://www.vbio.de/aktuelles/details/geruch-fettiger-lebensmittel-waehrend-der-schwangerschaft-foerdert-fettleibigkeit-in-der-naechsten-generation Der Geruch von fettigen Lebensmitteln während der Schwangerschaft erhöht das Risiko für Übergewicht und Fettleibigkeit bei den Nachkommen, das haben Forschende vom Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung herausgefunden. Sie fütterten schwangere Mäuse mit einer gesunden, fettarmen Ernährung, die jedoch fettige Gerüche wie den Geruch von Speck enthielt. Die Mütter selbst veränderten ihren Stoffwechsel nicht, jedoch reagierten ihre Nachkommen stärker auf eine fettreiche Ernährung und entwickelten ausgeprägtere Fettleibigkeit und Insulinresistenz, ein Anzeichen für Typ-2-Diabetes.  Die Forschenden fanden außerdem heraus, dass sich das Gehirn der Nachkommen verändert hatte. Das dopaminerge System, das eine wichtige Rolle bei Motivation und Belohnung spielt, und die AgRP-Neuronen, die den Hunger und den Stoffwechsel des gesamten Körpers steuern, reagierten anders auf fettreiche Nahrung. „Das Gehirn der Nachkommen ähnelte dem von übergewichtigen Mäusen, einfach weil ihre Mütter gesunde Nahrung zu sich genommen hatten, die nach fettiger Nahrung roch”, erklärt Laura Casanueva Reimon, Co-Erstautorin der Studie. Die Forschenden stellten fest, dass Föten bereits im Mutterleib und als Neugeborene während des Stillens über die Muttermilch den Gerüchen ungesunder Lebensmittel ausgesetzt sind. Außerdem genügte es, während der Neugeborenenphase die mit dem Geruch fettiger Lebensmittel in Verbindung stehenden Nervenbahnen künstlich zu aktivieren, um Fettleibigkeit im Erwachsenenalter auszulösen.

Was bedeutet das für den Menschen?

Es ist bekannt, dass Kinder übergewichtiger Mütter ein erhöhtes Risiko haben, selbst übergewichtig zu werden. Die Studie legt nahe, dass bereits der Geruch fettiger Lebensmitteln während der Entwicklung das Risiko für Übergewicht und Fettleibigkeit im späteren Leben erhöhen kann, selbst bei schlanken und gesunden Müttern. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Mütter in diesen Experimenten die Lebensmittel, die die fettigen Gerüche enthielten, auch zu sich nehmen mussten, da die bloße Anwesenheit des Geruchs allein nicht zu Fettleibigkeit bei den Nachkommen führte.

„Unsere Entdeckung verändert unsere Sichtweise darauf, wie die Ernährung einer Mutter die Gesundheit ihrer Kinder beeinflussen kann“, erklärt Sophie Steculorum, Leiterin der Studie. „Bislang lag der Fokus hauptsächlich auf der Gesundheit der Mutter und den negativen Auswirkungen einer fettreichen Ernährung, wie beispielsweise dem Risiko einer übermäßigen Gewichtszunahme. Unsere Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass die Gerüche, denen Föten und Neugeborene ausgesetzt sind, ihre Gesundheit im späteren Leben unabhängig von der Gesundheit ihrer Mutter beeinflussen könnten.“

Lebensmittelzusatzstoffe

Um die für ihre Untersuchungen verwendeten Diäten zusammenzustellen, verwendeten die Wissenschaftlerinnen verschiedene Aromastoffe und stellten fest, dass diese häufig dieselben Inhaltsstoffe enthielten, die auch als Lebensmittelzusatzstoffe verwendet werden. Einer dieser Zusatzstoffe allein konnte bei den Nachkommen dieselben Auswirkungen hervorrufen. „Wir denken, dass es wichtig ist, weiterzuforschen, um zu verstehen, wie sich der Verzehr dieser Substanzen während der Schwangerschaft oder Stillzeit auf die Entwicklung und die Stoffwechselgesundheit von Babys im späteren Leben auswirken könnte“, erklärte Sophie Steculorum.

Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung


Originalpublikation:

Casanueva Reimon, L., Gouveia, A., Carvalho, A. et al. Fat sensory cues in early life program central response to food and obesity. Nat Metab (2025). doi.org/10.1038/s42255-025-01405-8

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Wissenschaft Nordrhein-Westfalen
news-34844 Tue, 02 Dec 2025 09:04:50 +0100 Einzellige Jäger schützen Kläranlagen vor Funktionsstörungen https://www.vbio.de/aktuelles/details/einzellige-jaeger-schuetzen-klaeranlagen-vor-funktionsstoerungen Eine Räuber-Beute-Interaktion mit dem Potential zur nachhaltigen Verhinderung von Schlammauftrieb in Kläranlagen haben jetzt Forschende der Universität Koblenz entdeckt.  Das Forschungsteam um Prof. Dr. Kenneth Dumack, Professor für Aquatische Ökosystemanalyse an der Universität Koblenz, konnte zeigen, dass räuberische Einzeller – sogenannte Schalenamöben der Gattung Arcella – in der Lage sind, problematische fadenförmige Bakterien in Kläranlagen auf natürliche Weise in Schach zu halten. Diese Bakterien, vor allem Candidatus Microthrix parvicella, verursachen weltweit das Phänomen des Schlammauftriebs, das die Reinigungseffizienz von Abwasseranlagen stark beeinträchtigt und hohe Umweltschädigungs- sowie Kostenfolgen hat.

In der aktuellen Ausgabe von The ISME Journal, dem Publikationsorgan der Internationalen Gesellschaft für mikrobielle Ökologie, berichten Dumack und seine Kolleg*innen, dass sich die Populationsdynamiken der Bakterien und ihrer Protistenjäger durch Lotka-Volterra-Mechanismen beschreiben lassen – ein klassisches Räuber-Beute-Modell der Ökologie. Analysen aus vier deutschen Kläranlagen und ergänzende Experimente zeigen, dass Arcella-Arten das Wachstum von Microthrix durch gezielte Prädation eindämmen können. Damit eröffnet sich eine nachhaltige, umweltfreundliche Alternative zu den bisher üblichen chemischen Eingriffen in Kläranlagen.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass man ökologische Prinzipien gezielt nutzen kann, um biologische Systeme wie Kläranlagen stabiler und nachhaltiger zu gestalten“, erklärt Dumack. „Das Potenzial von Protisten als biologische Kontrollagenten wurde bisher kaum beachtet – hier liegt eine echte Chance für grüne Wassertechnologien.“

Nachhaltige Lösungen für Wasserwirtschaft und Ausbildung

Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die zentrale Rolle biologischer Prozesse in der Wasseraufbereitung – in einem Themenfeld, das auch in einer innovativen Studienrichtung der Universität Koblenz verankert ist: Die interdisziplinären Studiengänge Bachelor of Science (B. Sc.) und Master of Science (M. Sc.) Gewässerkunde und Wasserwirtschaft verbinden Ökologie, Mikrobiologie, Chemie und Ingenieurwissenschaften. Sie bereiten Studierende auf aktuelle Herausforderungen in Gewässerschutz, Abwasserbehandlung und nachhaltiger Ressourcenbewirtschaftung vor.

„Wir wollen junge Menschen befähigen, das Wasser der Zukunft nachhaltig zu managen – von der Mikrobenebene bis zur globalen Wasserpolitik“, betont Dumack.
Dumacks Professur für Aquatische Ökosystemanalyse wird von der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG), verankert im Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr (BMV), finanziert. Die inhaltliche Verantwortung liegt bei der Universität Koblenz.

Universität Koblenz


Originalpublikation:

Fabienne Baltes, Antonia Weiss, Marina Ettl, Kenneth Dumack, Lotka–Volterra dynamics facilitate sustainable biocontrol of wastewater sludge bulking, The ISME Journal, Volume 19, Issue 1, January 2025, wraf235, https://doi.org/10.1093/ismejo/wraf235

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Wissenschaft Rheinland-Pfalz