VBIO News http://example.com VBIO News de Copyright Fri, 28 Nov 2025 12:54:41 +0100 Fri, 28 Nov 2025 12:54:41 +0100 TYPO3 news-34386 Fri, 28 Nov 2025 12:42:06 +0100 Neue RNA-Klasse schafft Ordnung in der Zelle https://www.vbio.de/aktuelles/details/neue-rna-klasse-schafft-ordnung-in-der-zelle Innerhalb von Zellen bilden RNAs und Proteine biomolekulare Kondensate – winzige, flüssigkeitsähnliche Tröpfchen, die für die Organisation des Zelllebens unerlässlich sind. Manche RNAs lagern sich zu Clustern zusammen. Fehlfunktionen in diesem Prozess können Entwicklungsstörungen, Krebs und neurodegenerativen Erkrankungen auslösen. Warum sich manche RNAs leichter als andere zusammenlagern, war bislang unklar. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben nun eine neue RNA-Klasse namens smOOPs identifiziert und damit ein besseres Verständnis entwickelt, wie biomolekulare Kondensate entstehen. In menschlichen Zellen herrscht ein dynamisches Innenleben: Biologische Kondensate fungieren als organisatorische Knotenpunkte und steuern zahlreiche Funktionen – von der Genregulation bis hin zu Stressreaktionen. „Bei den Kondensaten handelt es sich um Ansammlungen, die durch Phasentrennung entstehen – ein Prozess, bei dem sich Moleküle von ihrer Umgebung abspalten, ähnlich wie sich Öl von Wasser trennt“, erklärt Professor Miha Modic vom Zoologischen Institut des KIT. „Innerhalb der Zellen führt dieser Prozess dazu, dass RNA und Proteine charakteristische membranlose Tröpfchen bilden.“ 

In einer Studie, die in Zusammenarbeit mit Forschenden vom National Institute of Chemistry in Slowenien und dem Francis Crick Institute in London entstand, kombinierte ein Team rund um Modic experimentelle Analysen mit Deep Learning, um zu bestimmen, welche RNAs während der Kondensatbildung zur Clusterbildung neigen. Dabei identifizierten die Forschenden eine bisher unbekannte RNA-Klasse, die während der frühen Entwicklung aktiv ist: semi-extrahierbare und orthogonale organische phasentrennungsangereicherte RNAs – kurz smOOPs.

Klebrige RNAs mit Einfluss auf die Zellorganisation 

„Während der frühen Entwicklung führt jeder Zellzustand zu einer eigenen Zusammensetzung kondensationsanfälliger RNAs. Diese RNAs bestimmen und stützen die Phasentrennungslandschaft der Zelle“, sagt Modic. „Wir haben entdeckt, dass smOOPs ungewöhnlich ‚klebrig‘ und in hohem Maß zelltypspezifisch auftreten. Sie kommen vor allem in der frühembryonalen Entwicklung vor: Sie widerstehen den üblichen RNA-Extraktionsmethoden und binden besonders stark an RNA-bindende Proteine.“

Darüber hinaus beobachteten die Forschenden, dass sich smOOPs in sichtbaren Clustern innerhalb der Zellen ansammeln und stärker miteinander verbunden sind als erwartet. Das zeige, dass sie von Natur aus bevorzugt innerhalb der Zellen kondensieren. Mithilfe von Deep Learning identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsame Merkmale dieser neuen RNA-Klasse: lange Transkripte mit geringer Sequenzkomplexität, starker interner Faltung und charakteristischen Proteinbindungsmustern. Es stelle sich heraus, dass die von diesen RNAs kodierten Proteine ebenfalls dazu neigen, lange, flexible Segmente zu enthalten, welche die Kondensation zusätzlich fördern. „Dies deutet auf eine faszinierende Wechselwirkung zwischen RNA- und proteinbasierten Merkmalen bei der Phasentrennung hin“, so Modic. „Die Entdeckung von smOOPs erweitert unser Verständnis von kondensationsanfälligen RNAs. Außerdem zeigt sie, wie die Kombination von biochemischen Experimenten mit Maschinellem Lernen die verborgene Logik molekularer Netzwerke des Lebens aufdecken kann.“ 

Neue Perspektiven für die Krankheitsforschung

Das Verständnis dafür, wie Zellen ihre innere Ordnung sichern, ist entscheidend für ein grundlegendes Verständnis der Biologie. „Sowohl RNA als auch Proteine tragen zur Kondensatbildung bei. Diese Kopplung ist besonders relevant für die Entwicklung. Wenn dieser Mechanismus gestört ist, kann das Krankheiten verursachen“, erklärt Modic. „Durch die Identifizierung von smOOPs und ihrem RNA-RNA-Interaktionsnetzwerk verfügen wir nun über einen konzeptionellen und mechanistischen Deutungsrahmen, um pathogene Kondensate bei Krankheiten zu interpretieren.“ (ast)

Karlsruher Institut für Technologie


Originalpublikation:

Klobučar, T., Novljan, J., Iosub, I. A., Kokot, B., Urbančič, I., Jones, D. M., Chakrabarti, A. M., Luscombe, N. M., Ule, J., Modic, M.: Integrative profiling of condensation-prone RNAs during early development. Cell Genomics. DOI: 10.1016/j.xgen.2025.101065

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Wissenschaft Baden-Württemberg
news-34382 Fri, 28 Nov 2025 12:36:08 +0100 Kakao anbauen im Klimawandel https://www.vbio.de/aktuelles/details/kakao-anbauen-im-klimawandel In Afrika südlich der Sahara sind die Menschen besonders auf Regen angewiesen. Der Klimawandel bedroht zunehmend ihre Landwirtschaft. Für den Anbau von Kakao ist Agroforstwirtschaft ein möglicher Weg zur Anpassung: Bäume, die auf den Plantagen zwischen den Kakaopflanzen wachsen, spenden dabei Schatten. Das kann die Erträge in trockeneren Zeiten retten, wie eine Studie von Forschenden der Universität Göttingen und des Joint Research Centre der Europäischen Kommission zeigt.  Landwirtinnen und Landwirte in Ghana, die Kakao in Agroforstwirtschaft anbauen, überstehen Zeiten mit weniger Regen demnach besser. Das trifft jedoch nur auf Gebiete mit feuchterem Klima zu. Wo das Wasser bereits knapp ist, fanden die Forschenden keine wesentlichen Vorteile dieser Anbauweise. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Agricultural Systems veröffentlicht.

Die Studie kombiniert eine Umfrage unter 365 kakaoproduzierenden Haushalten und Satellitendaten zur Niederschlagsmenge aus 44 Dörfern in fünf wichtigen ghanaischen Anbaugebieten für Kakao. Anhand der Daten aus den Jahren 2019 und 2022 haben die Forschenden ausgewertet, wie sich der Rückgang der Niederschläge auf die Erträge von Kakaoplantagen mit und ohne Agroforstwirtschaft ausgewirkt hat. Sinkende Niederschlagsmengen verringern die Erträge insgesamt, wie die Ergebnisse zeigen. In Agroforsten sind die Verluste jedoch geringer. Darüber hinaus verglichen die Forschenden feuchte Standorte, die sich für den Kakaoanbau besser eignen, und trockene Standorte. Das Ergebnis: Agroforste erhalten die Erträge bei weniger Regen nur in feuchteren Gebieten aufrecht.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die positiven Auswirkungen der Agroforstwirtschaft vom lokalen Klima abhängen“, sagt Erstautorin Marlene Wätzold von der Universität Göttingen. „In trockeneren Regionen konkurrieren schattenspendende Bäume möglicherweise mit Kakaopflanzen um Bodenfeuchtigkeit. Das könnte dem Schutz vor dem Austrocknen entgegenwirken.“ Dazu kommt die Konkurrenz mit Obstbäumen, erklärt Wätzold: „Avocadobäume, die vermehrt in trockenen Regionen gepflanzt werden, haben flache Wurzeln und einen hohen Wasserbedarf. Das verschärft den Wettbewerb um Wasser.“

Agroforstwirtschaft kann eine wichtige Rolle bei der Anpassung an den Klimawandel spielen, betont das Forschungsteam. Ihre Förderung sollte jedoch auf das lokale Klima zugeschnitten sein. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit weiterer Forschung zu Anpassungsstrategien in der Agroforstwirtschaft. Es gilt auch zu verstehen, welche Baumarten unter welchen Klimabedingungen geeignet sind“, so Prof. Dr. Meike Wollni von der Universität Göttingen. „In einigen Gebieten werden die Bedingungen für den Anbau von Kakao zunehmend ungünstig. Dort sollten die Menschen in Zukunft mehr auf Kulturen setzen, die Trockenheit besser tolerieren, wie Cashewnüsse“, schließt Dr. Katharina Krumbiegel vom Joint Research Centre.

Georg-August-Universität Göttingen


Originalpublikation:

Marlene Yu Lilin Wätzold; Katharina Krumbiegel; Pascal Tillie; Meike Wollni. Agroforestry as a climate change adaptation strategy: Evidence from Ghana's cocoa sector. Agricultural Systems (2026). https://doi.org/10.1016/j.agsy.2025.104519

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Nachhaltigkeit/Klima Niedersachsen
news-34373 Fri, 28 Nov 2025 11:59:31 +0100 COP30 konnte Erwartungen nicht erfüllen: Wuppertal Institut legt Analysebericht zur Weltklimakonferenz in Belém vor https://www.vbio.de/aktuelles/details/cop30-konnte-erwartungen-nicht-erfuellen-wuppertal-institut-legt-analysebericht-zur-weltklimakonferenz-in-belem-vor Die Weltklimakonferenz (COP30) in Brasilien blieb weit hinter den Erwartungen zurück und lieferte keine adäquaten Antworten auf die gestiegenen Anforderungen: Trotz der weltweit zunehmenden Folgen des Klimawandels konnten in zentralen Bereichen keine gemeinsamen Beschlüsse gefasst werden, vor allem weil zentrale Öl-, Gas- und Kohleförderländer konkrete Fortschritte blockierten. Forschende des Wuppertal Instituts legen nun ihre Analyse zu den Konferenz-Ergebnissen vor und verdeutlichen: Es brauche nun vor allem eine starke Koalition der Willigen, die sowohl innerhalb als auch jenseits der UN-Klimaverhandlungen verbindliche Schritte für den globalen Ausstieg aus Fossilen vorantreibt.  Staaten, die stark von der Nutzung fossiler Brennstoffe profitieren, wie die OPEC-Staaten und Russland, ist es wieder einmal gelungen, konkrete Fortschritte bei den diesjährigen COP-Verhandlungen weitgehend zu blockieren. „Allen ist heute klar, dass die 1,5-Grad-Grenze mit den bisher von der Staatengemeinschaft ergriffenen und verabschiedeten Maßnahmen nicht einzuhalten ist. Statt sich jetzt gemeinsam darauf zu konzentrieren, mit welchen Strategien eine Trendumkehr erreichbar ist, wurde der notwendige sukzessive Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe in den Entscheidungen der Konferenz noch nicht einmal erwähnt“, bemängelt Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts.

Seit der COP in Glasgow 2021 stehen die Ursachen des Klimawandels, vor allem die Nutzung fossiler Brennstoffe, richtigerweise stärker im Fokus der Klimakonferenzen. Allerdings verhinderten die Widerstände der fossilen Staaten, die angesichts des Konsensprinzips der COPs einem Veto gleichkommen, konkrete Ergebnisse. Anders als bei früheren Konferenzen gelang es auf COP30 nicht, diese Staaten zu isolieren. Dies lag vor allem an dem Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen und der damit verbundenen Signalwirkung, aber auch an der schwachen und viel zu spät formulierten EU-Position in Belém. Ein wesentlicher Grund für das schwache Ergebnis ist auch, dass viele Länder des Globalen Südens umfangreiche (finanzielle) Unterstützung für die Energiewende sowie für Anpassung an Klimafolgen und den Umgang mit Schäden brauchen. Doch wohlhabende Staaten leisten diese Hilfe bislang nicht in ausreichendem Maß und wie schon bei den Verhandlungen auf der letzten COP in Baku ließ sich deshalb erneut kein breites Bündnis bilden, um die bremsenden Staaten zu isolieren. 

Mit der COP30 Action Agenda, in der viele Initiativen außerhalb des offiziellen Verhandlungsprozesses zusammengeführt worden sind, hat die Konferenzleitung versucht, trotz aller Schwierigkeiten, positive Akzente zu setzen – dies konnte allerdings die Defizite der gesamten Konferenz nicht kaschieren.

Wolfgang Obergassel, Co-Leiter des Forschungsbereichs internationale Klimapolitik am Wuppertal Institut, erläutert: „Über Jahrzehnte wurde der Klimawandel als klassisches Gefangenendilemma betrachtet: Zwar teilen alle Staaten das Interesse an der Lösung des Problems, doch gleichzeitig bestehen starke Anreize, den eigenen Beitrag zur Lösung des Problems möglichst gering zu halten. In der Geschichte der Klima-Verhandlungen rangen die Beteiligten lange um die Lastenteilung, gestützt auf abstrakte Emissionsziele, der alle Staaten zustimmen könnten.“ Inzwischen wird jedoch zunehmend deutlich, dass der Klimawandel vor allem ein komplexes Verteilungs- und Transformationsproblem ist. Konsequenter Klimaschutz würde die verbleibenden fossilen Ressourcen sowie die darauf basierenden Anlagen erheblich entwerten. Entsprechend versuchen die Staaten und Unternehmen, die Eigentümer*innen dieser fossilen Vorräte und Anlagen sind, wirksamen Klimaschutz auf allen politischen Ebenen massiv auszubremsen – nicht nur, ihre eigenen Beiträge möglichst klein zu halten.

Notwendig ist ein Fahrplan mit konkreten Maßnahmen

Um die ehrgeizigeren Staaten zu besänftigen, hat Brasilien angekündigt, im kommenden Jahr jenseits des formalen UNFCCC-Prozesses Fahrpläne zur Abkehr von fossilen Brennstoffen und zur Beendigung der Entwaldung zu entwickeln. Kolumbien hat angekündigt, gemeinsam mit den Niederlanden den Prozess zur Abkehr von fossilen Brennstoffen durch die Organisation einer internationalen Konferenz zu unterstützen. „Es braucht jetzt mehr denn je eine Koalition der Willigen. Trotz aller Blockaden muss die Abkehr von fossilen Brennstoffen weiter im Zentrum der Diskussionen stehen. Um den Klimaschutz wirklich voranzubringen, muss ein paralleler Prozess auch zu konkreten Maßnahmen führen, was nur möglich ist, wenn Potenziale und Barrieren explizit benannt werden“, betont Obergassel. Zudem sollten die progressiven Staaten alles daran setzen, dass die Fahrpläne, die Brasilien nun jenseits des UNFCCC-Prozesses entwickeln will, auf der nächsten UN-Konferenz in der Türkei ins Zentrum der Diskussionen gestellt werden.

„Abgesehen von den konkreten Maßnahmen und Fahrplänen können die Bemühungen an einen der wenigen konkreten Fortschritte aus Belém anknüpfen, nämlich die Vereinbarung zur Entwicklung eines Mechanismus zur Beförderung eines gerechten Strukturwandels, dem sogenannten Just Transition Mechanism“, ergänzt Dr. Chris Höhne, Senior Researcher im Forschungsbereich Internationale Klimapolitik am Wuppertal Institut. Die Staaten einigten sich darauf, bei den nächsten Zwischenverhandlungen im Sommer 2026 in Bonn die Gespräche über die genauen Details zu starten.

Der Analysebericht zur COP30 „The Bitter (COP of) Truth – Belém 2025 climate conference not up to the challenge“ ermöglicht einen umfassenden Einblick in die Ergebnisse der COP30 und bewertet diese. Er ist in englischer Sprache im nachfolgenden Link kostenfrei verfügbar.

https://wupperinst.org/fa/redaktion/downloads/publications/COP30-Report_en.pdf

Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH

 

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Nachhaltigkeit/Klima Politik & Gesellschaft Nordrhein-Westfalen
news-34369 Fri, 28 Nov 2025 11:27:58 +0100 Später als gedacht: Hauskatze erreichte Europa erst vor 2000 Jahren https://www.vbio.de/aktuelles/details/spaeter-als-gedacht-hauskatze-erreichte-europa-erst-vor-2000-jahren Genomische Analysen von Katzenfunden aus knapp 100 archäologischen Fundstätten aus Europa und Anatolien zeigen: Die Hauskatze kam offenbar erst vor rund 2000 Jahren aus Nordafrika nach Europa und nicht wie bisher angenommen mit jungsteinzeitlichen Ackerbauern und Viehzüchtern aus dem Vorderen Orient im 7. Jahrtausend vor heute. Katzen gehören zu den beliebtesten Haustieren und sind heute weltweit bis in die entlegensten Gegenden verbreitet. Geschätzt wird ihre Zahl auf etwa eine Milliarde. Frühere Studien konnten zeigen, dass die Hauskatze Felis catus von der nordafrikanischen Wildkatze Felis lybica lybica abstammt. Außerdem belegen archäologische Funde, dass sich Katzen schon vor fast 10.000 Jahren dem Menschen angeschlossen haben, jedoch ist die komplexe Geschichte ihrer Domestikation, insbesondere die geographische Region, der Zeitpunkt und die Umstände ihrer Ausbreitung, bis heute weitgehend ungeklärt. Das hängt auch damit zusammen, dass archäologische Funde von Katzen selten und das Zuordnen von Knochenfragmenten zur Wild- oder Haustierform problematisch sind.

Ein internationales Forscherteam konnte nun mithilfe genetischer Analysen nachweisen, dass Hauskatzen nicht wie bisher angenommen vor 6000 bis 7000 Jahren mit jungsteinzeitlichen Bauern aus dem Vorderen Orient nach Europa gelangten. Vielmehr wurden sie erst mehrere Jahrtausende danach, vor etwa 2000 Jahren, nach Europa eingeführt, und zwar aus Nordafrika. Diese Schlussfolgerung beruht auf der Analyse der DNA-Proben von 225 Katzen aus 97 archäologischen Fundstätten in Europa und Anatolien. Dabei konnten die Forschenden insgesamt 87 Genome von alten sowie heutigen Katzen generieren, wobei die ältesten untersuchten Proben etwa 11.000 Jahre alt sind.

An der Konzeption der Studie maßgeblich beteiligt war SNSB Paläoanatom Prof. Joris Peters von der Staatssammlung für Paläoanatomie sowie der LMU München, zusammen mit den Leitern der Studie Prof. Claudio Ottoni von der Universität Tor Vergata in Rom und Prof. Wim van Neer vom Royal Belgian Institute of Natural Sciences, Brüssel. Die Münchner Sammlung trug zudem wichtiges Probenmaterial für die Studie bei.

Erstmals finden sich genetische Belege, dass der geografische Ursprung der heutigen Hauskatzen in Nordafrika und nicht wie bisher angenommen im Vorderen Orient liegt. Die Forschenden vermuten, dass es Seefahrer waren, die vor etwa 2000 Jahren Katzen von dort nach Europa brachten. Sie identifizierten zwei genetisch unterschiedliche Populationen aus Nordafrika. Die erste gelangte nach Sardinien und begründete die heute noch dort lebenden Wildkatzen-Population auf der Insel, während die zweite zur Römerzeit das europäische Festland erreichte und erheblich zum Genpool moderner Hauskatzen beigetragen hat.

„Die nordafrikanischen Wildkatzen haben sich aufgrund des reichhaltigen Angebots an Ratten und Mäusen oder Fischereiabfällen wohl dauerhaft in getreideanbauenden Siedlungen bzw. in Hafenvierteln aufgehalten und sich so an die Nähe des Menschen gewöhnt. Wir vermuten daher, dass Wildkatzenpopulationen aus unterschiedlichen Regionen und Kulturkreisen Nordafrikas an dem komplexen Domestizierungsprozess beteiligt waren. Eine der künftigen Forschungsaufgaben wird es somit sein, die Frühphase der Katzenhaltung in Nordafrika geographisch und zeitlich weiter einzugrenzen sowie die soziokulturellen und wirtschaftlichen Gründe zu klären, die zu ihrer Haustierwerdung und anschließend weltweiten Verbreitung geführt haben,“ sagt Prof. Joris Peters, Leiter der Staatssammlung für Paläoanatomie München.

Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns


Originalpublikation:

M. De Martino et al.: The dispersal of domestic cats from North Africa to Europe around 2000 years ago. Science 390, eadt 2642 (2025). DOI: 10.1126/science.adt2642
https://www.science.org/doi/10.1126/science.adt2642

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Wissenschaft Bayern
news-34368 Fri, 28 Nov 2025 11:19:08 +0100 Fledermäuse in Siedlungen meiden Straßenlicht beim Pendeln zwischen Quartier und Jagdlebensraum https://www.vbio.de/aktuelles/details/fledermaeuse-in-siedlungen-meiden-strassenlicht-beim-pendeln-zwischen-quartier-und-jagdlebensraum Einige Fledermausarten suchen tagsüber Unterschlupf in Dachstühlen großer, zumeist historischer Gebäude innerhalb menschlicher Siedlungen, obwohl sie in der Nacht im dunklen Umland nach Insekten jagen. Dies erfordert tägliches Pendeln zwischen teils hell erleuchtetem Siedlungsbereich und dunklem Jagdlebensraum. Ein Team am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) wies nach, dass Große Mausohren (Myotis myotis) – die größten heimischen Fledermäuse – beim Pendeln durch Siedlungsgebiete bevorzugt wenig ausgeleuchtete Bereiche nutzen.  Das Team plädiert in der Fachzeitschrift „Science of the Total Environment“ für den Erhalt und Ausbau von dunklen Korridoren in Siedlungen zum Schutz nachtaktiver Tiere. Die Forschenden um Erstautor Dr. Daniel Lewanzik und Projektleiter Prof. Christian Voigt vom Leibniz-IZW statteten Große Mausohren in drei Ortschaften in Baden-Württemberg und Thüringen mit miniaturisierten, hochauflösenden GPS-Empfängern aus. Nach wenigen Tagen nahmen sie die Empfänger wieder ab und analysierten die täglichen Routen der Fledermäuse beim Pendeln zwischen Tagesquartieren und Jagdgebieten. Insgesamt 38 Pendelrouten konnten die Forschenden rekonstruieren und mit Umweltvariablen – beispielsweise der Anzahl von Straßenlaternen und der Art ihres Lichts, der Vegetation, der Versiegelung und der Nähe zu Gewässern – in Zusammenhang setzen. „Unsere Analysen zeigen, dass die Fledermäuse keine zufällige Route durch das Siedlungsgebiet wählten, sondern dunkle Bereiche in möglichst großer Distanz zu Straßenlaternen nutzten“, erklärt Lewanzik, der mittlerweile Mitarbeiter am Bundesamt für Naturschutz (BfN) ist. Dieses Meidungsverhalten gegenüber Straßenlaternen zeigten die Fledermäuse an allen drei untersuchten Standorten. 

Landschaft und Vegetation beeinflussen Flugverhalten

Die Analysen zur Wechselwirkung der Bewegungen mit Landschaftsmerkmalen ergaben weitere Hinweise zum Flug des Großen Mausohrs durch das Siedlungsgebiet: In allen drei Untersuchungsgebieten flogen die Fledermäuse häufig entlang von Vegetation an Gewässern. „Dabei suchten sie vermutlich nicht direkt die Nähe zum Wasser, sondern nutzten die Flüsse und Bäche vielmehr als natürliche Dunkel-Korridore“, erklärt Lewanzik. In den beiden größeren Siedlungen zeigte sich zudem, dass die Fledermäuse unversiegelte Bereiche bevorzugten; Bereiche mit mehr als 50 Prozent Versiegelungsgrad wurden kaum noch überflogen. „Eine enge Bebauung sowie eine starke Ausleuchtung von Straßen, Gehwegen und selbst Grünanlagen lässt den Großen Mausohren nur noch schmale Korridore für die Pendelflüge zwischen Quartieren und Jagdlebensräumen“, fasst Voigt zusammen. 
Dass diese Fledermausart sich dennoch regelmäßig in Gebäuden, teilweise sogar im Zentrum einer Siedlung ihr Tagesquartier sucht, hat historische Ursachen: Lokale Mausohrkolonien entwickeln über Jahrzehnte hinweg eine hohe Treue gegenüber ihren Quartieren, mitunter nutzen sie über viele Generationen – teilweise jahrhundertelang – die Dachstühle alter Kirchen oder Schlösser. Der Ausbau der Straßenbeleuchtung hat jedoch erst im letzten Jahrhundert in den Siedlungen stark zugenommen. An den Ortsrändern sind zudem in den vergangenen 50 Jahren neue Siedlungen entstanden. Dadurch hat auch die Lichtverschmutzung weiter zugenommen. 

Empfehlungen für die Stadt- und Regionalplanung

Die fortschreitende Urbanisierung ist für viele Wildtiere einschließlich der lichtempfindlichen Fledermäuse eine Herausforderung. Sollten Dunkelkorridore zunehmend heller erleuchtet werden, könnten die siedlungsgebunden Fledermäuse gezwungen sein, ihre Kolonien aufzugeben, so das Autorenteam. Einen Ersatz hierfür gibt es jedoch nicht notwendigerweise. Gleiches könnte passieren, wenn Städte wachsen, aber Dunkelkorridore dabei nicht mitgedacht werden. In der Stadt- und Regionalplanung sei daher darauf zu achten, dass dunkle Grünkorridore, die naturbelassene Gebiete verbinden, erhalten oder sogar ausgebaut werden. Künstliches Licht, insbesondere in Grün- und Parkanlagen, aber auch darüber hinaus, sollte auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden. Auf diese Weise könne der negative Einfluss der Urbanisierung auf die Artenvielfalt abgemildert werden.

Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung


Originalpublikation:

Lewanzik D, Melber M, Scholz C, Schüll I, Zebele M, Brandt M, Schumann A, Düsing K, van den Bogaert V, Greving H, Thomas J, Hensle E, Voigt CC (2025): Urban sprawl and light pollution disrupt commuting corridors of urban-roosting bats. Science of the Total Environment 2025, https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2025.181019

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Wissenschaft Berlin
news-34367 Fri, 28 Nov 2025 10:49:58 +0100 Giftige Metalle im Weizenkorn: Stammen sie aus dem Boden oder dem Dünger? https://www.vbio.de/aktuelles/details/giftige-metalle-im-weizenkorn-stammen-sie-aus-dem-boden-oder-dem-duenger Pflanzen nehmen über ihre Wurzeln nicht nur Nährstoffe auf, sondern auch giftige Metalle. Unklar war bislang, ob sie aus dem Boden oder den ausgebrachten Düngemitteln stammen. Ein Forschungsteam hat zur Klärung der Frage Weizenkörner untersucht und anhand einer speziellen Isotopensignatur herausgefunden, dass der Großteil der giftigen Metalle aus dem mineralischen Dünger kommt. Eine Kombination aus mineralischer und organischer Düngung würde nicht nur den Gehalt an giftigen Metallen reduzieren, sondern auch den Gehalt an Metallen erhöhen, die für die menschliche Ernährung wichtig sind.  „Aus Feld- und Gewächshausstudien ist bekannt, dass die Art der Düngung, also mineralisch oder organisch, einen Einfluss auf die Metallgehalte in Nahrungsmittelpflanzen hat“, sagt Prof. Dr. Marie Muehe, Leiterin der Arbeitsgruppe Pflanzen-Biogeochemie am UFZ und Co-Studienleiterin der Publikation. „Doch man wusste bislang nicht, ob die durch die Pflanzen aufgenommenen Metalle aus dem Boden oder direkt aus den aufgebrachten Düngemitteln stammen.“ Das wollte das deutsch-amerikanische Forschungsteam mit seiner aktuellen Studie herausfinden.

Dafür nutzten die Wissenschaftler:innen Bodenproben sowie Weizenkörner aus dem Statischen Düngungsversuch der UFZ-Forschungsstation Bad Lauchstädt. Der Statische Düngungsversuch wurde bereits im Jahr 1902 angelegt und gehört insbesondere aufgrund seiner langen Versuchsdauer zu den wertvollsten Dauerversuchen der Welt. „Einige Versuchsfelder wurden seit über 120 Jahren nicht gedüngt, andere nur mit Mineraldünger oder mit organischem Dünger wie Stallmist von landwirtschaftlichen Betrieben aus der Nachbarschaft oder aber mit einer Mischung aus beidem“, erklärt Marie Muehe. Über die lange Versuchsdauer haben sich die Bodeneigenschaften stark auseinanderentwickelt, zum Beispiel der pH-Wert oder der Gehalt an organischer Substanz. Das Probenmaterial aus diesem Langzeitversuch war daher die perfekte Grundlage für die Untersuchungen. Hinzu kommt eine hervorragende Datenbasis, denn jedes Jahr werden von allen Versuchsflächen Bodenproben und geerntete Weizenkörner archiviert.

Für ihre Studie nahmen die Forschenden die Proben der vergangenen 20 Jahre genauer unter die Lupe. „Dabei haben wir zuerst die jeweiligen Metallgehalte im Boden, in den geernteten Weizenkörnern sowie in den verwendeten Düngemitteln bestimmt“, erklärt Aleksandra Pieńkowska, UFZ-Doktorandin und Co-Erstautorin der Studie. Um herauszufinden, ob die in den Weizenkörnern enthaltenen Metalle aus dem Boden oder dem Dünger stammen, haben die Forschenden ein spezielles Verfahren angewandt: die sogenannte Strontium-Isotopensignatur-Methode. Sie beruht darauf, dass das chemische Element Strontium (Sr) in zwei unterschiedlichen Formen – sogenannten Isotopen – vorkommt, nämlich 87Sr und 86Sr. „Da das Verhältnis dieser beiden Isotope in jedem Boden anders ist, ist das im Prinzip so etwas wie ein Fingerabdruck“, erklärt Robert Hill, Doktorand an der Duke University (Durham, USA) und Co-Erstautor der Studie. „Wenn im Weizenkorn dasselbe Verhältnis vorliegt wie im Boden, auf dem die Pflanze gewachsen ist, kann man daraus schließen, dass sie das Strontium aus dem Boden aufgenommen hat. Wenn das Isotopenverhältnis im Korn jedoch dem des Düngers entspricht, ist das ein klarer Hinweis darauf, dass das Strontium über den Dünger ins Korn gelangt ist.“ Und da bekannt ist, dass Pflanzen Strontium und Cadmium über ähnliche Wege aufnehmen, lassen sich daraus auch Rückschlüsse für Cadmium ziehen.

Die Ergebnisse zeigen zum einen, dass die giftigen Metalle in den untersuchten Weizenkörnern aus dem ausgebrachten Dünger stammen und nicht aus dem Boden. Zum anderen sind die Metallgehalte bei mineralischer Düngung im Vergleich zur organischen Düngung besonders hoch. „Zur Einordnung dieser Ergebnisse ist es wichtig zu wissen, dass unsere Untersuchungen in einer Region mit sehr fruchtbaren Schwarzerde-Böden gemacht wurden. Bei sandigen oder sauren Böden könnten diese Effekte noch deutlicher zutage treten“, sagt Alexandra Pieńkowska. Vor dem Hintergrund, dass auch eine dauerhafte mineralische Düngung die Versauerung des Bodens bewirkt, gewinnen Maßnahmen zur Stabilisierung des pH-Wertes, etwa die Kalkung des Bodens, noch einmal an Bedeutung.

Nicht alle in mineralischen Düngemitteln enthaltenen Metalle sind jedoch unerwünscht. Zink etwa ist ein für die Ernährung wichtiges metallisches Spurenelement. Doch kann die Aufnahme von Zink ins Weizenkorn gefördert und dabei gleichzeitig die Aufnahme von giftigen Metallen verhindert werden? „Auch das haben unsere Untersuchungen gezeigt: Durch Kombination der Düngemittel konnte der Zinkgehalt im Weizenkorn tatsächlich erhöht werden, ohne dass der Cadmium-Gehalt anstieg“, sagt Marie Muehe. „Wir empfehlen daher eine kombinierte Düngung bzw. das Ausbringen von mineralischen und organischen Düngemitteln im Wechsel. Das spart zum einen Kosten für Dünger ein, zum anderen hat das Korn eine höhere Qualität.“

In weiterführenden Studien wollen die Forschenden untersuchen, wie sich die Metallgehalte in Nutzpflanzen verhalten, wenn sich Umweltbedingungen, etwa durch den Klimawandel, verändern.

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ


Originalpublikation: 

Robert C. Hill, Aleksandra Pieńkowska, Ines Merbach, Thomas Reitz, E.Marie Muehe, Avner Vengosh: Impacts of fertilization on metal(loid) transfer from soil to wheat in a long-term fertilization experiment – using 87Sr/86Sr isotopes as metal(loid) tracer; Environment International; October 2025.
https://doi.org/10.1016/j.envint.2025.109851

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Wissenschaft Sachsen
news-34366 Fri, 28 Nov 2025 10:42:00 +0100 Meer auf dem Teller: Fünf essbare Makroalgen im Vergleich https://www.vbio.de/aktuelles/details/meer-auf-dem-teller-fuenf-essbare-makroalgen-im-vergleich Forschende haben den Nährstoffgehalt von fünf essbaren, teils wenig bekannten Meeresalgen analysiert und ihr Potenzial für eine nachhaltige Ernährung untersucht. Ihre Studie zeigt, dass die untersuchten Arten reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind und starke antioxidative Eigenschaften sowie hohe Protein- und Mineralstoffgehalte besitzen.  Das Team um Beatrice Brix da Costa, Doktorandin an der Universität Bremen und am ZMT, wählte fünf Makroalgenarten für die Untersuchung aus: die Grünalgen Caulerpa cylindracea, Caulerpa racemosa, Caulerpa lentillifera, Codium taylorii sowie die Rotalge Botryocladia pseudodichotoma. Die Alge Caulerpa cylindracea ist eine invasive Art im Mittelmeer und hat sich dort seit den 1990er Jahren stark ausgebreitet.

Die Forschenden nutzten verschiedene Verfahren, um die Zusammensetzung der Meeresalgen und ihren Gehalt an Feuchtigkeit, Kohlenhydraten, Proteinen, Fettsäuren, Pigmenten sowie Mineralstoffe und antioxidative Eigenschaften zu bestimmen. Alle untersuchten Arten enthielten hohe Mengen an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, insbesondere die Omega-3-Fettsäuren Alpha-Linolensäure (ALA) in den Grünalgen und Eicosapentaensäure (EPA) in der Rotalge. 

Die Mineralstoffanalyse ergab, dass Natrium, Kalzium, Magnesium und Kalium die häufigsten Makronährstoffe in allen fünf untersuchten Algenspezies sind – Nährstoffe, die für Knochen, Muskeln und den allgemeinen Stoffwechsel des Menschen wichtig sind.

Besonders die Grünalgen (Caulerpa cylindracea, Caulerpa lentillifera, Caulerpa racemosa und Codium taylorii) wiesen stark antioxidative Eigenschaften auf. Codium taylorii war zusätzlich reich an Proteinen. Die Rotalge Botryocladia pseudodichotoma hatte einen hohen Gehalt an Magnesium und Kalium.

„Dank ihrer biochemischen Zusammensetzung eignen sich die untersuchten Makroalgen ideal als nachhaltige, nährstoffreiche Lebensmittel, natürliche Quelle für Antioxidantien oder als Basis für Nahrungsergänzungsmittel“, berichtet Beatrice Brix da Costa, Erstautorin der Studie. „In Südost-Asien und Fidschi sind die Meerestrauben Caulerpa lentillifera und Caulerpa racemosa bereits als Lebensmittel und Delikatessen etabliert.“
Dennoch könne keine einzelne Art alle wichtigen Nährstoffe abdecken, die Ernährungsvielfalt bleibe entscheidend, so die Forscherin.

Algen können Beitrag zur Ernährungssicherheit leisten

Da in der Studie der Nährstoffgehalt mehrerer zum Teil bisher wenig genutzter Algenarten analysiert wurde, eröffnen die Ergebnisse auch neue Optionen für die Ernährungssicherheit. „Die Weltbevölkerung wird laut UN-Angaben bis 2030 auf mehr als 8,5 Milliarden Menschen anwachsen, während die Landwirtschaft zugleich durch Landverlust und Klimawandel unter Druck gerät“, erklärt Andreas Kunzmann, Leiter der Arbeitsgruppe Experimentelle Aquakultur am ZMT. 

„Hier kann die nachhaltige Aquakultur mariner Algen oder die Nutzung invasiver Arten eine ressourcenschonende zusätzliche Lebensmittelquelle bieten und Abhängigkeiten von konventioneller Landwirtschaft reduzieren. Diese Thematik untersuchen wir zusammen mit anderen Leibniz-Instituten im Projekt food4future. So haben wir beispielweise herausgefunden, wie man den Gehalt an wertvollen Inhaltsstoffen, u.a. Antioxidantien, in Caulerpa lentillifera steigern kann“, so der Forscher.

„Die Ergebnisse unserer jetzigen Studie sind eine Momentaufnahme“, betont Karin Springer aus der Arbeitsgruppe Meeresbotanik der Universität Bremen. „Die biochemische Zusammensetzung von Algen variiert stark – auch zwischen und innerhalb der Arten – und hängt von unterschiedlichen Faktoren wie Licht, Temperatur oder der Verfügbarkeit von Nährstoffen im Wasser ab. Dies muss bei der Aquakultur von Algen berücksichtigt werden.“

„Wir haben gezeigt, dass wenig genutzte Algenarten nicht nur ökologisch wertvoll sind, sondern auch mit ihrem Nährwertprofil überzeugen“, fasst Beatrice Brix da Costa zusammen. „Mit gezieltem Algenanbau und geeigneten Nutzungskonzepten können neue Wege für nachhaltige Ernährung eröffnet werden – auch bei uns in Europa.“

Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung


Originalpublikation:

Brix da Costa B, Kunzmann A, Springer K (2025) Comparative Analysis of the Nutritional Profiles of Five Edible Macroalgae for Sustainable Food Production. Discover Food 5:287. DOI: 10.1007/s44187-025-00603-3, https://doi.org/10.1007/s44187-025-00603-3

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Wissenschaft Bremen
news-34372 Thu, 27 Nov 2025 18:48:00 +0100 Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung feiert sein 60-jähriges Jubiläum https://www.vbio.de/aktuelles/details/helmholtz-zentrum-fuer-infektionsforschung-feiert-sein-60-jaehriges-jubilaeum Von Biotechnologie bis zur Pandemiebewältigung – sechs bewegte Jahrzehnte der Spitzenforschung  Mit einem Festakt am 27. November 2025 hat das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) gemeinsam mit Kooperationspartnern, Alumni und Gästen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft sein 60-jähriges Bestehen gefeiert. Die Forschungseinrichtung besteht seit 1965 auf dem Science Campus Braunschweig-Süd und durchlief in den folgenden Jahrzehnten mehrere inhaltliche Neuausrichtungen und Umbenennungen. Im Rahmen der Festveranstaltung gratulierten unter anderem Niedersachsens Ministerpräsident Olaf Lies, der neue Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft Prof. Martin Keller sowie sein Vorgänger und langjähriger Wegbegleiter des HZI, Prof. Otmar D. Wiestler.

„Die Infektionsforschung ist ein zentrales Wissenschaftsgebiet, das zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen wird. Das HZI ist hier eine absolute Institution und gleichzeitig bestens aufgestellt, um die künftigen Herausforderungen zu bewältigen. Immer wieder hat es in den sechs Jahrzehnten seines Bestehens seine Zukunftsorientierung in Forschung und medizinischer Versorgung erfolgreich unter Beweis gestellt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland kommen am HZI zusammen, um sowohl neue Therapien und Impfstoffe als auch verbesserte Präventionsstrategien zur Eindämmung der Ausbreitung von Krankheiten zu entwickeln. Mit ihrer exzellenten Arbeit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit der Gesellschaft und zur internationalen Forschung“, sagte Olaf Lies, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen.

Das heutige Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung wurde 1965 als Institut für Molekulare Biologie, Biochemie und Biophysik (IMB) gegründet. 1975 wurde das Zentrum vom Bund übernommen und 1976 in Gesellschaft für Biotechnologische Forschung mbH (GBF) umbenannt. In den folgenden Jahrzehnten lag der Fokus auf der Biotechnologie und verhalf der GBF zu internationalem Erfolg. Zu Beginn der 2000er Jahre konzentrierte sich die Forschungsaktivität immer stärker auf Infektionen, was schließlich im Jahr 2006 mit der Umbenennung in Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung zum Ausdruck gebracht wurde.

„An der früheren GBF wurden unter anderem die Grundlagen dafür gelegt, wie man Gene liest und sie klonieren kann. Das war ein fantastischer Beitrag zur Wissenschaft und auch zur Wissenschaftsgeschichte. Nach der Weiterentwicklung zum heutigen HZI ist das Zentrum zur größten Einrichtung für Infektionsforschung in Deutschland gewachsen. Unser Ziel für die Zukunft ist es, eines der besten Institute für Infektionsforschung weltweit zu werden, und um das zu erreichen, versuchen wir – auch mit wertvoller Unterstützung von politischer Seite und aus der Helmholtz-Gemeinschaft – die besten jungen Köpfe aus der ganzen Welt zu uns nach Deutschland zu holen“, sagte Prof. Josef Penninger, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des HZI, der die Gäste gemeinsam mit Christian Scherf, dem Administrativen Geschäftsführer des HZI, begrüßte.

Um die Infektionsforschung auch im internationalen Vergleich bestmöglich aufzustellen, hat das HZI mittlerweile weitere Standorte in Braunschweig, Hannover, Greifswald, Hamburg, Saarbrücken und Würzburg gemeinsam mit universitären und außeruniversitären Partnern aufgebaut. An all diesen Standorten erforschen Wissenschaftler:innen die Mechanismen von Infektionskrankheiten und ihrer Abwehr, entwickeln neue Wirkstoffe und Impfstrategien und liefern mit ihren Ergebnissen die Grundlage für innovative Lösungen zur Diagnose, Prävention, Behandlung sowie Überwachung von Infektionskrankheiten.

„Die Zukunft der Infektionsforschung – in Deutschland sowie weltweit – hängt entscheidend davon ab, wie entschlossen wir exzellente Wissenschaft, neue Technologien und einen schnellen Transfer zusammenführen. Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung spielt dabei eine herausragende Rolle“, sagte der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft Martin Keller. „Das HZI ist national und international exzellent vernetzt. Zugleich setzt es konsequent auf strategische Zukunftsfelder – von Künstlicher Intelligenz über personalisierte Infektionsmedizin und Global Health bis hin zur systematischen Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen.“

Als ein Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft wird das HZI zu 90 Prozent vom Bund und zu zehn Prozent von den Sitzländern finanziert. Dabei untersteht das HZI dem Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR), das beim Jubiläum durch Prof. Veronika von Messling, Leiterin der Abteilung Lebenswissenschaften im BMFTR und Aufsichtsratsvorsitzende des HZI, vertreten war. „Das HZI ist seit 60 Jahren ein zentraler Pfeiler der Infektionsforschung in Deutschland. Seine Arbeiten zu Resistenzen, KI und Big Data, neuen Impfplattformen und Biotechnologie stärken unsere Fähigkeit, Ausbrüchen vorzubeugen, sie frühzeitig zu erkennen und schnell darauf zu reagieren. Mit seiner internationalen Vernetzung, technologischen Kompetenz und starken Nachwuchsförderung ist das HZI von zentraler gesellschaftlicher Bedeutung“, sagte von Messling.

„Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung nimmt innerhalb der Helmholtz-Gemeinschaft und weit darüber hinaus eine Schlüsselrolle ein: Es verbindet auf dem Feld der Infektionskrankheiten exzellente Grundlagenforschung mit dem gesellschaftlichen Auftrag, Forschungsergebnisse möglichst schnell in die klinische Anwendung zu überführen“, sagte der ehemalige Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft Otmar D. Wiestler. „In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das HZI von einem biotechnologisch ausgerichteten Institut zu einem international sichtbaren Spitzenzentrum entwickelt. Es hat grundlegende neue Erkenntnisse in der Infektionsbiologie erzielt, die Systemmedizin maßgeblich vorangetrieben und entscheidende Impulse für die Entwicklung moderner Antiinfektiva gesetzt. Es ist mir eine besondere Freude, heute hier zu sein, um diese 60-jährige Erfolgsgeschichte zu würdigen.“

Die Festveranstaltung wurde abgerundet durch eine moderierte Podiumsdiskussion, an der neben den aktuellen HZI-Geschäftsführern die Rektorin der Universität Greifswald, Prof. Katharina Riedel, sowie die ehemaligen Wissenschaftlichen Geschäftsführer des HZI Prof. Dirk Heinz, Prof. Rudi Balling und Prof. Joachim Klein teilnahmen. Den Abschluss der Veranstaltung gestaltete Prof. Christoph Huber, Universitätsrat der Medizinischen Universität Wien, mit seinem Vortrag „Translating science into survival“.

Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

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Wissenschaft Biobusiness Niedersachsen
news-34232 Thu, 27 Nov 2025 11:34:22 +0100 Wie ein Gen die Architektur des menschlichen Gehirns formt https://www.vbio.de/aktuelles/details/wie-ein-gen-die-architektur-des-menschlichen-gehirns-formt Wie das menschliche Gehirn seine außergewöhnliche Komplexität erlangt, beschäftigt Forschende weltweit. Ein Forschungsteam hat nun mit Hilfe von Organoiden aufgezeigt, dass das Gen ARHGAP11A entscheidend an der Gehirnentwicklung beteiligt ist. Fehlt das Gen, geraten zentrale Prozesse der Zellteilung und -struktur aus dem Gleichgewicht.  Das menschliche Gehirn unterscheidet uns wie kein anderes Organ von anderen Lebewesen. Es ermöglicht Sprache, abstraktes Denken, komplexes Sozialverhalten und Kultur. Doch wie kann sich dieses außergewöhnlich leistungsfähige Organ entwickeln und wie wird sichergestellt, dass sich Nerven- und Stützzellen an genau den richtigen Stellen bilden, um die Komplexität des menschlichen Gehirns auszubilden? Ein Team um Dr. Julia Ladewig am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim und Dr. Michael Heide am Deutschen Primatenzentrum (DPZ) in Göttingen ist dieser Frage auf molekularer Ebene nachgegangen. In der jetzt in der Fachzeitschrift Cell Reports veröffentlichten Studie zeigen die Forschenden, dass das Gen ARHGAP11A eine Schlüsselrolle bei der Organisation der Gehirnentwicklung spielt.

Ordnung im Stammzelllager: Forschende entdecken zentrale Rolle von ARHGAP11A

Im sich entwickelnden Gehirn liegt tief im Inneren die sogenannte Ventrikelzone. Sie kann als Stammzelllager bezeichnet werden, da dort spezialisierte Stammzellen immer wieder neue Nervenzellen hervorbringen. Damit diese Zellen wissen, wie sie sich teilen, wohin sie wandern und wann sie sich zu Nervenzellen entwickeln sollen, müssen sie ihr inneres Gerüst, das Zellskelett, ständig umbauen. Die Forschenden haben nun herausgefunden, dass das Gen ARHGAP11A diese Prozesse wesentlich steuert. Es sorgt dafür, dass die Stammzellen während der Zellteilung ihre Orientierung behalten und die Architektur der Ventrikelzone stabil bleibt.

Wenn Orientierung verloren geht

Fehlt ARHGAP11A, verlieren die Stammzellen ihre Ordnung, lösen sich zu früh aus dem Gewebe und beginnen sich in Nervenzellen umzuwandeln. Das führt dazu, dass das Stammzellreservoir zu schnell aufgebraucht wird. In der Folge fehlen später wichtige Zelltypen, etwa Stützzellen, die für die Reifung und Stabilität des Gehirns unverzichtbar sind.

Das ARHGAP11A-Protein wirkt dabei wie ein molekularer Schalter. Es reguliert sogenannte Rho-GTPasen, kleine Moleküle, die das Zellskelett kontrollieren und damit bestimmen, wie sich Zellen formen, teilen und bewegen. Dadurch kann ARHGAP11A sicherstellen, dass die Vorläuferzellen ihre Form behalten und sich korrekt in der Ventrikelzone anordnen.

Gehirn-Organoide liefern entscheidende Einblicke

Um diese Mechanismen im Detail zu erforschen, nutzten die Forschenden sogenannte Gehirn-Organoide, also im Labor aus Stammzellen gezüchtete Modelle des menschlichen Großhirns. Damit konnten sie nachvollziehen, wie ARHGAP11A die Zellarchitektur formt und wie eine Störung dieses Mechanismus Fehlentwicklungen verursacht. 

Bemerkenswerterweise konnten die Forschenden auf diese Weise zeigen, dass eine kurzfristige pharmakologische Hemmung der überaktiven Signalwege die Fehlentwicklung teilweise rückgängig macht. „Das zeigt, dass sich dieser Entwicklungsprozess des Gehirns prinzipiell beeinflussen lässt“, erklärt Erstautor Yannick Hass, Mitarbeiter am Hector Institut für Translationale Hirnforschung (HITBR) sowie am ZI in Mannheim.

Unerreichte Präzision durch Gehirn-Organoide 

Die Studie verdeutlicht, dass Mausmodelle die Komplexität der menschlichen Gehirnentwicklung nicht vollständig abbilden können. „In Mausgewebe ließen sich die gleichen Effekte nach dem Verlust von ARHGAP11A nicht nachweisen. Das unterstreicht, wie wichtig menschliche Organoid-Modelle für die biomedizinische Forschung geworden sind“, sagt Dr. Michal Heide, Leiter der Arbeitsgruppe Gehirnentwicklung und -evolution am Deutschen Primatenzentrum.

Auch Dr. Julia Ladewig, Leiterin der Arbeitsgruppe für entwicklungs-assoziierte Erkrankungen des Gehirns am ZI, betont die Bedeutung des Ansatzes: „Gehirn-Organoide eröffnen uns die Möglichkeit, die Entwicklung des menschlichen Gehirns in bisher unerreichter Präzision zu untersuchen. Damit können wir sowohl seine evolutionären Besonderheiten besser verstehen als auch neue Einblicke in Entwicklungsstörungen und psychiatrische Erkrankungen gewinnen.“

Neue Diagnose- und Therapieansätze ermöglichen

Langfristig soll die Forschung helfen, genetische Risikofaktoren für neuroentwicklungsbedingte Erkrankungen besser zu verstehen. Dazu gehören etwa Mikrozephalie, bei der das Gehirn ungewöhnlich klein bleibt, oder neuronale Heterotopien, bei denen Nervenzellen während der Gehirnentwicklung an falsche Stellen wandern. Das gewonnene Wissen kann die Grundlage für neue Diagnose- und Therapieansätze schaffen und so langfristig zur Verbesserung der Behandlung solcher seltenen Erkrankungen beitragen.

Zentralinstitut für Seelische Gesundheit


Originalpublikation:

Hass, Y, Kniep, J, Hoffrichter, A, Marsoner, F, Eşiyok, N, Gasparotto, M, Pio Loco detto Gava, M, Artioli, A, Guida, C, Meuth, S G, Huttner, W B, Jabali, A, Heide, M and Ladewig, J (2025): ARHGAP11A Maintains Cortical Progenitor Identity Through RHOA–ROCK Signalling During Human Brain Development. Cell Reports, Volume 44, Issue 12, 116599, https://www.cell.com/cell-reports/fulltext/S2211-1247(25)01371-3

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Wissenschaft Baden-Württemberg
news-34231 Thu, 27 Nov 2025 11:26:57 +0100 Süßes oder Saures? https://www.vbio.de/aktuelles/details/suesses-oder-saures Bei Fruchtfliegen ist die Evolution von Ernährungsvorlieben im Gehirn verwurzelt und nicht in den peripheren Geschmackssensoren. Warum bevorzugt eine Fruchtfliegenart Süßes, während eine andere gerne Bitteres frisst? Bisher ging man davon aus, dass solche Ernährungsvorlieben durch die Empfindlichkeit von peripheren Geschmackssinneszellen gesteuert werden. Eine internationale Studie unter Beteiligung von Prof. Dr. Daniel Münch von der Abteilung Neurophysiologie der Tiere an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) zeigt nun, dass Ernährungspräferenzen bei Fruchtfliegen stattdessen auf der Ebene des zentralen Nervensystems reguliert werden. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht. Sie könnten eine Grundlage für neue Strategien zur Insektenkontrolle bilden.

Fruchtfliegen wie Drosophila melanogaster und Drosophila simulans sind bezüglich ihrer Ernährung Generalisten und beim Fressen (leider) wenig mäkelig. Im Gegensatz dazu frisst Drosophila sechellia, die auf den tropischen Seychellen beheimatet ist, nur eine Frucht namens Noni (Morinda citrifolia), die besonders sauer und bitter ist – eine Frucht, die die beiden anderen Arten aktiv meiden. Wie hat sich die besondere Ernährungsvorliebe von D. sechellia entwickelt? Die Forschenden waren davon ausgegangen, dass dies an genetischen Veränderungen der Geschmackssinneszellen lag, die bei Fruchtfliegen über den ganzen Körper verteilt sind – vom Mund bis zu den Beinen und Flügeln. Es zeigte sich jedoch, dass die Sinneszellen der unterschiedlichen Fruchtfliegen-Arten in gleicher Weise auf süße und bittere Substanzen reagierten. „Die Aktivität der Geschmackssinneszellen konnte das Fressverhalten von Drosophila sechellia nicht erklären“, so Prof. Münch. „Wir haben daher eine von uns entwickelte bildgebende Technik genutzt, die die Aktivität aller Neuronen im Geschmacksverarbeitungszentrum des Fliegenhirns erfasst.“ Die Arbeiten wurden in Prof. Münchs Zeit am Champalimaud Centre for the Unknown in Lissabon durchgeführt; eine vergleichbare Methode befindet sich derzeit in seiner Arbeitsgruppe an der JLU im Aufbau.

Dabei betrachteten die Forschenden den Teil des Gehirns der Fruchtfliege, der als subösophageale Zone bezeichnet wird; ein Cluster von Nervenzellen unter der Speiseröhre, der für die Nahrungsaufnahme wichtig ist. Durch ihre Untersuchungen fanden sie heraus, dass die Unterschiede im Ernährungsverhalten zwischen den Arten nicht auf Veränderungen der sensorischen Antworten, sondern auf deren Verarbeitung im Gehirn zurückzuführen waren. „Einige Regionen in der subösophagealen Zone von Drosophila sechellia reagierten stärker auf Noni im Vergleich zu Traubensaft, während dies bei den Melanogaster-Fruchtfliegen umgekehrt war“, sagt Prof. Münch.

Diese Erkenntnisse könnten neue Ansatzpunkte für Insektenkontrollstrategien liefern. „Bislang gingen wir davon aus, dass wir das Ernährungsverhalten von Insekten beeinflussen können, indem wir die peripheren Sinnesorgane manipulieren“, so Prof. Münch. „Unsere Ergebnisse liefern Hinweise darauf, dass es daneben auch andere Angriffspunkte geben könnte.“

Justus-Liebig-Universität Gießen


Originalpublikation:

 Bertolini, E., Münch, D., Pascual, J. et al. Evolution of taste processing shifts dietary preference. Nature (2025). https://doi.org/10.1038/s41586-025-09766-6

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Wissenschaft Hessen