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Wissenschaft krisenfester machen

Das Wissenschaftssystem und die Hochschulen haben sich in den vergangenen zwei Jahren den Herausforderungen der Pandemie gewachsen gezeigt. Doch der Krieg in der Ukraine und die globale Klimakrise zeigen, dass Forschung und Politik noch vieles verbessern müssen, um die Gesellschaft für die Zukunft krisenfester und komplexe Zusammenhänge verständlicher zu machen. Dies war am Mittwoch der Tenor eines Fachgesprächs mit den Spitzen der drei großen Wissenschaftsorganisationen im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Im Kern geht es um die Frage: Wie können Hochschulen und Forschungsinstitute künftig krisenfester arbeiten?

„Weil wir in der Krise gut waren“, so Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), „heißt das nicht, dass nicht noch mehr zu tun wäre“. In den zweieinhalb Jahren der Pandemie seien die Hochschulen in der Lage gewesen, die Präsenzlehre durch digitale Veranstaltungen zu ersetzen. Das reiche aber nicht aus. Jetzt müssten die virtuelle und die analoge Seite der Lehre zusammengeführt und neu kombiniert werden. Das sei eine Chance, Politik müsse dafür aber mehr Geld in die Hand nehmen, damit Hochschullehrkräfte entsprechend qualifiziert werden könnten, unterstreicht der HRK-Präsident. Kostenneutral sei dies nicht zu bewältigen.

Krisenzeiten erforderten, so Alt, eine noch stärkere internationale Zusammenarbeit. Hier könnte allerdings im Umgang mit schwierigen Partnern wie China die Wissenschaftsfreiheit gefährdet werden. Deshalb sei es wichtig, Kooperationen zu intensivieren, in denen „unsere Werte“ zur Geltung kämen. Zu problematischeren Partnern sei hingegen ein kritisches Verhältnis angemessen. Dafür sollten für einen künftigen Forschungsaustausch gemeinsame Standards der Zusammenarbeit festgeschrieben werden. Wenn allerdings die Risiken mit schwierigen Partnerländern wie China überwiegen, sei eine wissenschaftliche Zusammenarbeit „nicht zielführend“. Das bedeute jedoch nicht, Brücken abzubrechen.

Wissenschaft in der Krise versuche komplexe Zusammenhänge verständlich zu machen, sagte Katja Becker, Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Dies sei „die Grundlage unseres demokratischen Wissenschaftssystems“. Der Angriffskrieg in der Ukraine bedrohe gerade dies. Deshalb habe sich die Allianz der Wissenschaftsorganisationen, die die Biochemikerin hier vertrat, entschlossen, die institutionelle Zusammenarbeit mit Russland zu beenden. Auf russischen Druck hin sei das DFG-Büro in Moskau geschlossen worden. Dennoch gehe es darum, russische Forschende, die den Krieg ablehnten, weiterhin zu unterstützen und den Kontakt zu einzelnen Partnern aufrechtzuerhalten. Langfristig wolle sich die Allianz für mehr Kooperation mit der Ukraine einsetzen. Sorge bereiteten Cyberangriffe auf wissenschaftliche Daten. Deren Unversehrtheit, so die DFG-Präsidentin, müsse von der Politik rechtlich abgesichert werden. Becker plädierte dafür, in der internationalen Forschungskooperation „Allianzen mit Ländern zu schmieden, die “unsere Standards und Werte teilen„ , und gleichzeitig dem Austausch mit Staaten, bei denen das nicht Fall sei, “klare Grenzen zu ziehen„.

Einen Bogen von der Wissenschaft zur Gesellschaft schlug Gerald Haug, Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. “Wie kann man die Gesellschaft krisenfester machen?„, fragte er. Wie müsse das Wissenschaftssystem beschaffen sein, um Politik und Gesellschaft in Krisenzeiten kompetent zu beraten? Voraussetzung sei, so der Naturwissenschaftler und Klimaforscher: “Wissenschaft muss selbst krisenfest sein.„ Haug warnte gleichzeitig davor, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die auf krisenhafte Entwicklungen hinwiesen, als “Störenfriede„ darzustellen. Die Beratung durch die Wissenschaft diene dem Zweck “die Wahrnehmungsfähigkeit der Gesellschaft für Bedrohungen der Zukunft zu verbessern„.Haug betonte die Bedeutung der Vielfalt in der Forschung, warnte aber davor, diese durch Überregulierung des Wissenschaftsbetriebes zu gefährden. Seine Erfahrungen in der Pandemie hätten gezeigt, dass die deutsche Forschungslandschaft keinen Kulturwandel benötige, stattdessen “eine drastische Reduzierung von Bürokratie„.

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, hib