Die Diagnose einer Erkrankung erfordert immer komplexere Untersuchungen, die umfangreiches Spezialwissen voraussetzen. Viele der diagnostischen Methoden haben ihren Ursprung nicht in der Medizin, sondern in den Naturwissenschaften. Es hat sich daher eine immer größere fachliche Zusammenarbeit zwischen Naturwissenschaftlern (Biologen, Physiker und Chemiker) und den Medizinern entwickelt, die inzwischen zur Gründung eines neuen Zweiges der Medizin mit eigenen Gesellschaften und Zeitschriften geführt hat – der Translationalen Medizin. Folglich kam es auch zur Herausbildung definierter Arbeitsgebiete für Naturwissenschaftler in der Medizin geführt. Allerdings fallen verschiedene Tätigkeiten unter den sogenannten Arztvorbehalt, d. h. sie dürfen von einem Nichtmediziner nicht eigenverantwortlich ausgeführt werden, egal wie qualifiziert er oder sie ist. Damit bleiben hochqualifizierten Naturwissenschaftlern leitende Positionen im Umfeld der Medizin oft versperrt – was deren Motivation und Arbeitszufriedenheit nicht gerade erhöht.
Doch wie sieht die Zusammenarbeit im konkreten Fall vor Ort aus? Werden Naturwissenschaftler im medizinischen Umfeld tatsächlich anders behandelt als ihre Kollegen mit medizinischem Abschluss? Wie sieht es mit der Arbeitszufriedenheit der Betroffenen aus? Welche Lösungsmöglichkeiten sind denkbar? Viele Fragen, die bisher noch nicht systematisch untersucht worden sind. Im Rahmen einer vom Arbeitskreis Biomedizin im VBIO initiierten Masterarbeit am Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement der Philipps-Universität Marburg (Prof. Michael Stephan) sollte geklärt werden, wie sich die Situation der Naturwissenschaftler tatsächlich darstellt und inwieweit diese mit ihrer derzeitigen Arbeitssituation zufrieden sind. Hierzu wurde eine Online-Befragung durchgeführt, an der sich knapp 500 in der Medizin tätige Naturwissenschaftler – darunter viele VBIO-Mitglieder – beteiligt haben. Mittlerweile liegen die Ergebnisse vor.
Die Hypothese, dass Naturwissenschaftler im medizinischen Umfeld anders behandelt werden als ihre Kollegen mit medizinischem Abschluss erwies sich in mehrfacher Hinsicht als zutreffend. So wurden (a) Ärzte für die gleiche Arbeit besser bezahlt als Naturwissenschaftler, obwohl sie (b) für die gleiche Arbeit nach Ansicht der Umfrageteilnehmer eher schlechter qualifiziert seien als Naturwissenschaftler. Die Vorgesetzten von Naturwissenschaftlern in der Medizin sind häufig (aber nicht immer) Mediziner (c). Umgekehrt haben die (wenigen) Naturwissenschaftler in Vorgesetztenposition nur selten Mediziner als Untergebene. Große Zustimmung erhielt die Einschätzung (d), dass Naturwissenschaftler auf derselben Stelle weniger Befugnisse hätten als Mediziner, und dass (e) der Umstand, nicht Medizin studiert zu haben, Naturwissenschaftler im medizinischen Umfeld maßgeblich daran hindere in ihrem Beruf aufzusteigen.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Naturwissenschaftler, die sich gegenüber ihren ärztlichen Kollegen benachteiligt fühlen, eine geringere Arbeitszufriedenheit zeigen als andere in diesem Feld tätige Naturwissenschaftler.
Die Mehrheit der Naturwissenschaftler im medizinischen Umfeld sieht den Arztvorbehalt daher sehr kritisch.
Einer Verkammerung von Naturwissenschaftlern im medizinischen Umfeld steht die Mehrheit der Umfrageteilnehmer hingegen neutral bis positiv gegenüber.
Der AK Biomedizin im VBIO diskutiert zur Zeit mögliche Forderungen die aus der Studie abzuleiten sind.
(VBIO) Mehr über den AK Biomedizin im VBIO finden SIe unter www.vbio.de/der_vbio/ueber_den_vbio/arbeitsgremien/ak_biomedizin/index_ger.html