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Cochrane Review zur Wirksamkeit von monoklonalen Antikörpern gegen COVID-19

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Monoklonale Antikörper gegen SARS-CoV-2 sollen das für COVID-19 verantwortliche Virus neutralisieren. Aber hilft die Gabe dieser teuren Medikamente den Patienten wirklich? Die Autoren eines neuen Cochrane Reviews suchten nach Antworten aus klinischen Studien.
Dabei konnten sie allerdings nur sechs Studien auswerten, die verschiedene Behandlungen bei verschiedenen Gruppen von Patient*innen untersuchen. Das Fazit der Autoren: Auf Basis der vorliegenden Evidenz lässt sich nicht beurteilen, ob monoklonale Antikörper eine wirksame Behandlung für COVID-19 sind.
Allerdings fanden sie 36 noch laufende Studien, welche die Evidenzbasis zu diesem Therapieansatz schon bald erweitern dürften.

    Was sind monoklonale Antikörper?
    Antikörper sind Teil unseres Immunsystems. Sie binden an eindringende Krankheitserreger und helfen, diese abzuwehren. Bei monoklonalen Antikörpern (engl. monoclonal antibodies, mAbs) gegen SARS-CoV-2 handelt es sich um im Labor erzeugte Antikörper, die das für COVID-19 verantwortliche Virus neutralisieren können. „Monoklonal“ bedeutet, dass die Antikörper eines Präparats alle identisch sind und an dieselbe Zielstruktur auf dem Virus binden.
    Inzwischen gibt es eine Reihe von Medikamenten auf Basis solcher mAbs gegen SARS-CoV-2, die in der Regel intravenös allein oder als Kombination mehrerer mAbs verabreicht werden. Dazu gehören die Präparate Bamlanivimab, Bamlanivimab mit Etesevimab, Casirivimab mit Imdevimab, Sotrovimab und Regdanvimab. Einige Länder haben sich aufgrund des bereits früh im größeren Stil damit eingedeckt. So kaufte die Bundesregierung Anfang des Jahres 200.000 Dosen von zwei Antikörper-Medikamenten im Wert von rund 400 Millionen Euro.

    Was war das Ziel des vorliegenden Cochrane Reviews?

    Die Autor*innen des neuen Cochrane Reviews wollten wissen, ob SARS-CoV-2-neutralisierende monoklonale Antikörper in der Behandlung von COVID-19 sowohl bei ambulanten wie stationär aufgenommenen Patient*innen von Nutzen sind. Sie suchten dafür nach klinischen Studien, die die Effekte einer Behandlung mit mAbs mit denen eines Placebos (Scheinmedikaments) oder der Standardbehandlung verglichen. Als wichtigsteEndpunkte definierten sie vorab die Zahl der Todesfälle unter den Patient*innen, die Schwere der Symptome, das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen, sowie die Zahl der Krankenhauseinweisungen bei ambulanten Patient*innen und Krankenhausentlassung bei hospitalisierten Patient*innen. Die umfassende und systematische Literatursuche zum Stichtag 17. Juni 2021 brachte Ergebnisse von sechs Studien mit insgesamt fast 17.500 Teilnehmenden.

    Ergebnisse
    Vier Studien untersuchten die Wirkung von mAbs bei Patient*innen, die noch keine oder nur milde Symptome von COVID-19 hatten, während die Teilnehmenden in den beiden anderen Studien bereits mit moderaten bis schweren Symptomen im Krankenhaus lagen. Fast jede Studie untersuchte einen anderen mAb, bzw. eine andere Kombination von mAbs. Die erfreulicherweise geringe Zahl von Todesfällen unter den Teilnehmenden erlaube kaum zuverlässige Aussagen über den wohl wichtigsten Endpunkt, der Sterblichkeit, erklärt Hauptautorin Nina Kreuzberger, Wissenschaftlerin bei Cochrane Haematology an der Uniklinik Köln.

    „Auf Basis unseres Reviews könnten mAbs bei nicht hospitalisierten Patienten die Hospitalisierungs- oder Sterberate verringern. Jedoch sind die Auswirkungen auf die Sterblichkeit allein, auf unerwünschte Ereignisse und auf die Lebensqualität ungewiss aufgrund kleiner Stichprobengrößen, variieren je nach mAb-Präparat, oder die Daten fehlen vollständig“, sagt Kreuzberger. Dies gelte auch für die in Deutschland in größeren Mengen bevorrateten Präparate. Die Daten zu Bamlanivimab bei hospitalisierten Patienten zeigen keine Auswirkungen auf die Sterblichkeit und die Krankenhausentlassung, könnten stattdessen aber das Auftreten unerwünschter Ereignisse erhöhen. In ähnlicher Weise hat Casirivimab mit Imdevimab wahrscheinlich keine Auswirkungen auf die Sterblichkeit und die Krankenhausentlassung in der Gesamtgruppe hospitalisierter Patient*innen. Daten zu unerwünschten Ereignissenfehlen hier. Diese beiden Studien deuteten darauf hin, dass es wertvoll wäre, in zukünftigen Updates insbesondere auf Gruppen von Patient*innen einzugehen, die bei Präparatgabe noch keine eigenen Antikörper gebildet haben.

    Wie vertrauenswürdig ist die Evidenz?

    „Unser Vertrauen in die Evidenz ist für die meisten Endpunkte gering oder sehr gering. Wir konnten nur sechs Studien finden, fünf davon mit relativ kleiner Stichprobengröße, die nicht alles berichten, was uns interessiert, wie zum Beispiel die Anzahl der Todesfälle über einen längeren Zeitraum von 60 Tagen oder die Lebensqualität. Wir halten die derzeitige Evidenz für nicht ausreichend, um aussagekräftige Schlussfolgerungen für die Behandlung mit SARS-CoV-2-neutralisierenden mAbs zu ziehen“, sagt Kreuzberger.
    Allerdings ergab die Suche 36 noch laufende Studien. Diese würden hoffentlich bald ein klareres Bild von der Wirksamkeit von mAbs bei COVID-19 liefern, auch in Bezug auf die Wirksamkeit bei neuen Varianten des Virus, so die Hauptautorin des Reviews. „Sobald es hier neue relevante Ergebnisse gibt, werden wir diese in eine aktualisierte Fassung aufnehmen.“

    (Cochrane Deutschland)


    Originalpublikation:

    Kreuzberger N, Hirsch C, Chai KL, Tomlinson E, Khosravi Z, Popp M, Neidhardt M, Piechotta V, Salomon S, Valk SJ, Monsef I, Schmaderer C, Wood EM, So-Osman C, Roberts DJ, McQuilten Z, Estcourt LJ, Skoetz N. SARS‐CoV‐2‐neutralising monoclonal antibodies for treatment of COVID‐19. Cochrane Database of Systematic Reviews 2021, Issue 9. Art. No.: CD013825. DOI: 10.1002/14651858.CD013825.pub2.