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DHV skeptisch gegenüber forcierter Vermessung von Wissenschaft

Der Deutsche Hochschulverband (DHV) hat Hochschulpolitik, Wissenschaftsorganisationen und Fachgesellschaften dazu aufgerufen, sich breiter und intensiver mit Nutzen und Gefahren von Datenerhebungen und Forschungsinformationssystemen auseinanderzusetzen.

 

In jüngster Vergangenheit hatte insbesondere die vom Wissenschaftsrat initiierte Einführung eines "Kerndatensatz Forschung" zur bundesweit einheitlichen Definition und Strukturierung von Forschungsinformationen für Diskussionen unter Wissenschaftlern gesorgt. "Politik und Gesellschaft benötigen Planungssicherheit und haben daher ein legitimes Interesse an einer gesicherten Datenlage über Wissenschaft. Angesichts der bisherigen Erfahrungen mit einer zunehmend von Kennziffern gesteuerten Wissenschaftspolitik liegen jedoch die besseren Argumente bei den Kritikern weiterer Datensammlungen", erklärte der Präsident des DHV, Professor Bernhard Kempen.

 

So würden bestehende Verteilungskämpfe um knapper werdende Ressourcen immer häufiger sowohl mittels eines unzulässigen Vergleichs zwischen den Fächern innerhalb einer Hochschule als auch mittels des ebenso problematischen standortübergreifenden Vergleichs einzelner Fächer entschieden. Dabei blieben viele entscheidungsrelevante Faktoren, die sich nicht in ein Zahlenkorsett pressen ließen, auf der Strecke. Durch den Zugriff auf scheinbar objektives Datenmaterial verliere die wissenschaftsimmanente Bewertung von Forschungsleistungen durch fachlich qualifizierte Peers zunehmend an Bedeutung. Ein Wissenschaftssystem, das bei Verteilungs- und Bewertungsentscheidungen verstärkt auf Kennziffern und Daten setze, leiste einer "Tonnenideologie" Vorschub. Zu befürchten sei, dass wissenschaftliche Leistungsbereiche, die sich in Datenerfassungen nicht oder nur unzureichend abbilden ließen, zunehmend verkümmerten und bei Förderentscheidungen vernachlässigt würden.

 

Der DHV-Präsident ergänzte, dass die fortschreitende Fixierung auf Kennziffern erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen an den Hochschulen binde. Sie bleibe zudem wissenschaftsfremd und widerspreche der Eigenart von Wissenschaft, die allein der Suche nach Wahrheit und Erkenntnis verpflichtet sei. "Kennzahlen sind Wegbereiter und Mittel politischer Steuerung", hob Kempen hervor. "Gute Wissenschaft muss sich in einem erkenntnisgeleiteten Prozess - zumindest auch - aus sich selbst heraus entwickeln können. Die individuelle und die institutionelle Autonomie werden durch die politische Inanspruchnahme von Kennziffern unterhöhlt." DHV