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Blue and Lonesome – Die Einsamkeit der Blauböcke in Museen

Das einzige weibliche Exemplar eines aufgestellten Blaubocks befindet sich im Naturhistorischen Museum Wien.
Das einzige weibliche Exemplar eines aufgestellten Blaubocks befindet sich im Naturhistorischen Museum Wien. Bildrechte: NHM Wien, Alice Schumacher

Weitaus weniger Exemplare von Blauböcken als bisher angenommen existieren in den weltweiten Forschungssammlungen, wie genetische Untersuchungen jetzt zeigten. Eine internationale Forschergruppe unter Leitung des Museums für Naturkunde Berlin und der Universität Potsdam hat Sammlungsmaterial des am Ende des 18. Jahrhunderts ausgestorbenen Blaubocks untersucht. Ihre im Journal Scientific Reports publizierte Arbeit macht deutlich, wie hilfreich DNA-Analysen für die Identifikation strittiger Sammlungsobjekte sein können. Die genetischen Daten stehen weltweit Forschenden zur Verfügung.

Der Blaubock (Hippotragus leucophaeus), eine afrikanische Antilope mit bläulich schimmerndem Fell, ist die einzige große afrikanische Säugetierart von der bekannt ist, dass sie in historischer Zeit ausgestorben ist. Im Verbreitungsgebiet des Blaubocks in Südafrika kam es vermutlich zu einer Schrumpfung des Lebensraumes für den Blaubock, noch bevor die ersten weißen Siedler im 17. Jahrhundert ankamen. Die Gründe für sein Aussterben werden noch erforscht. Als Möglichkeiten gelten Konkurrenz zu Nutzvieh, die Unterbrechung von Migrationsrouten und Überjagung.

Der letzte Blaubock wurde 1799 oder 1800 geschossen, circa 34 Jahre nach der wissenschaftlichen Erstbeschreibung. Heute sind nur ca. 16 Museumsexemplare erhalten, deren Artzugehörigkeit bei einigen Objekten umstritten ist. Eine internationale Forschergruppe unter Leitung des Museums für Naturkunde Berlin und der Universität Potsdam hat nun 10 der 16 potentiellen weltweiten Blaubock-Exemplare aus 9 Museen genetisch untersucht, um sie eindeutig zu identifizieren. Darunter war auch eines der drei potentiellen Exemplare der Forschungssammlung des Museums für Naturkunde Berlin.

Die Forschenden fanden heraus, dass nur vier der zehn untersuchten Exemplare - darunter nicht ein einziger Schädel - wirklich zur Art der Blauböcke gehören. Dies macht den Blaubock zu einer der seltensten historischen Säugetierarten in Museen. Deutlich seltener beispielsweise als etwa die bekannte Steller’sche Seekuh (über 89 Objekte) oder das Quagga, eine Unterart des Steppenzebras (ca. 34 Objekte).

Die Studie zeigt deutlich, wie Genetik genutzt werden kann, um seltene Arten in naturhistorischen Sammlungen zu identifizieren, wenn nur wenige Vergleichsobjekte vorhanden sind und eindeutige morphologische Merkmale zur Artunterscheidung fehlen.
Eine erste Analyse der mitochondrialen Genome zeigt eine geringe mütterliche genetische Diversität der Blauböcke. Dies bestätigt möglicherweise frühere Annahmen, dass die Populationsgröße der Blauböcke bereits zur Zeit der europäischen Kolonisierung Südafrikas gering war.

Museum für Naturkunde Leibniz - Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung


Originalpublikation:

Elisabeth Hempel, Faysal Bibi et al., 2021 Identifying the true number of specimens of the extinct blue antelope (Hippotragus leucophaeus), Scientific Reports

https://doi.org/10.1038/s41598-020-80142-2