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Hemmstoff der Lipidkinase PI3KC2α als potenzielles neues Therapeutikum zur Behandlung von Thrombose identifiziert

Hemmstoff der Lipidkinase PI3KC2α
Visualisierung Barth van Rossum, FMP

Die Lipidkinase PI3KC2α ist ein potenzielles pharmakologisches Ziel für die Behandlung von Thrombose und möglicherweise auch von Krebs. Forscher des Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie (FMP) haben nun einen potenten Hemmstoff für ihre Aktivität identifiziert, der als Leitstruktur für die weitere Arzneimittelentwicklung dient.

Thrombosen wie Venenthrombosen und Lungenembolien, die jährlich bei etwa 1 von 1.000 Erwachsenen auftreten, sind eine große Gefahr für die menschliche Gesundheit, insbesondere im Alter. Um der Blutgerinnung entgegenzuwirken, nehmen Patient:innen blutverdünnende Medikamente ein, die jedoch schwere Nebenwirkungen wie Blutungen (Hämorrhagie) verursachen können.
Es ist bekannt, dass die Lipidkinase PI3KC2α die Blutgerinnung maßgeblich beeinflusst, da sie die Funktion der Blutplättchen reguliert, die für die Auslösung der Blutgerinnung von zentraler Bedeutung sind, z.B. als Antwort auf einen Anstieg des Blutdrucks oder Atherosklerose . PI3KC2α ist daher ein geeignetes Ziel für die Entwicklung neuer antithrombotischer Arzneimittel. Bisher wurde jedoch noch kein spezifischer Hemmstoff von PI3KC2α beschrieben.

Dr. Wen-Ting Lo aus der Arbeitsgruppe von Prof. Volker Haucke hat nun in enger Zusammenarbeit mit dem Medizinalchemiker Dr. Marc Nazaré und seinem Team, Forschern aus Toulouse und der Screening Unit des FMP (unter Leitung von Dr. Jens Peter von Kries) die ersten PI3KC2α-Inhibitoren entwickelt und charakterisiert. Als Ergebnis umfangreicher chemischer Optimierungsstudien gelang es den Forschern, die Wirksamkeit der Inhibitoren über das gesamte Kinom, insbesondere gegenüber allen anderen Lipidkinasen zu optimieren. Eine dieser Verbindungen mit der Bezeichnung PITCOIN3 zeigt eine besonders markante Selektivität für PI3KC2α und beeinträchtigt nachweislich den Umbau der Thrombozytenmembran und die Thrombusbildung.

„Diese bahnbrechende Entwicklung war nur aufgrund unserer früheren Strukturstudien zu PI3KC2α möglich", kommentiert Dr. Lo, der Erstautor der gerade in Nature Chemical Biology veröffentlichten Studie. Dr. Nazaré fügt hinzu, dass der unerwartete nicht-klassische Bindungsmodus der PITCOIN-Inhibitoren ein vielversprechendes neues Konzept für die Entwicklung verwandter Wirkstoffkandidaten aufzeigt. Die PITCOINs könnten auch wichtige Werkzeuge sein, die anderen Forschern helfen, unbekannte Funktionen von PI3KC2α zu untersuchen und aufzudecken.
„Die antithrombotische Wirkung der PITCOIN-Inhibitoren wirkt der Thrombose über Effekte auf die interne Membranstruktur der Thrombozyten entgegen und nicht durch die Blockierung ihrer Aktivierung, wodurch sich ein verbessertes therapeutisches Fenster öffnet“, betont Prof. Haucke.

Die vorgestellten Ergebnisse könnten neue Möglichkeiten für die Behandlung von Thrombose und Krebs eröffnen, was durch die Eigenschaft von PITCOINs, die Migration von Brustkrebszellen in vitro zu beeinträchtigen, belegt wird.

Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie


Originalpublikation:

Lo, W.T., Belabed, H., Kücükdisli, M., Metag, J., Roske, Y., Prokofeva, P., Ohashi, Y., Horatschek, A., Cirillo, D., Krauss, M., Schmied, C., Neuenschwander, M., von Kries, J., Médard, G., Kuster, B., Perisic, O., Williams, R.L., Daumke, O., Payrastre, B., Severin, S., Nazaré, M.*, Haucke, V.* (2022) Development of selective inhibitors of phosphatidylinositol 3-kinase C2α. Nat Chem Biol, doi.org/10.1038/s41589-022-01118-z