Im Laufe der Evolution mussten sich Arten immer wieder an veränderte Umweltbedingungen anpassen. Eine Anpassungsmöglichkeit ist die Modifikation des Sozialverhaltens. Knapp die Hälfte aller Primatenarten lebt in Gruppen, ungefähr ein Drittel in Paaren, der Rest lebt solitär. Warum sich die verschiedenen Formen sozialer Komplexität entwickelt haben, wie viele Übergänge es in welche Richtungen zwischen den Sozialsystemen im Lauf der Evolution gab und welche Faktoren zu diesen Übergängen geführt haben, wurde auf der Basis genetischer Daten und Verhaltensbeobachtungen von 362 Primatenarten analysiert.
Paarleben, das Zusammenleben von einem Männchen und einem Weibchen, nimmt eine Schlüsselrolle bei den Überlegungen zur Evolution der Sozialsysteme der Säugetiere ein, denn Männchen könnten einen deutlich höheren Fortpflanzungserfolg erzielen, wenn sie sich nicht an ein einziges Weibchen binden würden. „Evolutionsbiologen ringen schon lange darum, die Vorteile des Paarlebens für Männchen zu identifizieren“, sagt Peter Kappeler, Erstautor der Studie und Leiter der Abteilung Verhaltensökologie und Soziobiologie am Deutschen Primatenzentrum. Die beiden gängigen Hypothesen zur Entstehung von Paarleben, die Verteilung der Weibchen und die väterliche Fürsorge, scheinen auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben. „Tatsächlich weisen unsere Ergebnisse darauf hin, dass sich beide Faktoren ergänzen“, sagt Kappeler. „Zunächst führte mutmaßlich eine ökologische Veränderung des Lebensraums dazu, dass sich die Weibchen stärker räumlich voneinander separierten und solitäre Männchen, in deren Streifgebiet vorher mehrere Weibchen lebten, sich als Folge nur noch auf ein Weibchen konzentrieren konnten. Die aus der Paarbildung resultierende väterliche Fürsorge erhöhte wiederum die Überlebenswahrscheinlichkeit der Nachkommen und stärkte damit das Paarleben.“
Der weitere Übergang zum Gruppenleben wurde wiederum durch eine Verbesserung der ökologischen Situation ermöglicht, die es meist verwandten Weibchen gestattete, in enger räumlicher Nähe zu leben. Diesen konnten sich dann ein bis mehrere Männchen anschließen. „Die für Menschen typische Paarbindung innerhalb größerer sozialer Einheiten, lässt sich mit unseren Ergebnissen allerdings nicht erklären, da keiner unserer jüngeren Vorfahren solitär lebte. Jedoch scheinen auch bei Menschen die Vorteile der väterlichen Fürsorge zu einer Stärkung der Paarbindung zu führen“, sagt Peter Kappeler.
Deutsches Primatenzentrum
Originalpublikation:
Kappeler PM, Pozzi L (2019): Evolutionary transitions towards pair living in non-human primates as stepping stones towards more complex societies. Science Advances