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Karl von Frisch - Lebenslauf

Der folgende Lebenslauf wurde durch Karl von Frisch im Alter von 94 Jahren selbst verfaßt:

Ich wurde am 20. November 1886 in Wien geboren. Mein Vater, Anton Ritter von Frisch, war Universitätsprofessor in Wien, meine Mutter Marie, geb. Exner, hatte 4 Brüder, die alle Universitätsprofessoren wurden. Die Neigung und Anlage zu diesem Beruf ist in unserer Familie durch Generationen verfolgbar.

Schon in meiner Kindheit liebte ich die Tiere, hatte viele Arten in Pflege und beobachtete ihr Verhalten. So zog es mich nach dem Absolvieren des humanistischen Gymnasiums (Schottengymnasium in Wien) zur Zoologie, nachdem ich die Matura 1905 bestanden hatte.
Auf Wunsch meines Vaters, der Chirurg und Urologe war, wandte ich mich aber zunächst in Wien dem Studium der Medizin zu. Doch wechselte ich mit seiner Zustimmung nach fünf Semestern die Fakultät und studierte in München bei Richard Hertwig Zoologie. Jenes Vorstudium, besonders die eingehende Beschäftigung mit der Anatomie und Physiologie des Menschen, war für mich ein bleibender Gewinn.
Im Jahr 1909 kehrte ich nach Wien zurück, arbeitete an der Biologischen Versuchsanstalt an einem selbstgewählten Thema über den "Farbwechsel der Fische" und promovierte 1910 in Wien zum Dr. phil.

Anschließend wurde ich Assistent am Zoologischen Institut der Universität München bei Richard Hertwig und 1912 Privatdozent für Zoologie und vergleichende Anatomie. 1914 bis 1919 war ich bakteriologisch und ärztlich an einem Wiener Rotkreuz-Spital beschäftigt. 1917 heiratete ich Margarete Mohr, die Tochter eines Wiener Verlagsbuchhändlers. Unserer Ehe waren drei Töchter und ein Sohn beschieden, der letztere wurde gleichfalls Zoologe.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges kehrte ich in meine Assistentenstelle zu Hertwig nach München zurück. 1921 wurde ich als Ordinarius und Direktor des Zoologischen Institutes an die Universität Rostock berufen, 1923 in gleicher Eigenschaft nach Breslau und 1925 als Nachfolger meines Lehrers Richard Hertwig nach München. Es war eine Zeit regen Schaffens mit einem großen Kreis von Schülern und Mitarbeitern, für welche die alten Räume des Institutes viel zu beschränkt waren. Mit Unterstützung der Rockefeller Foundation gelang es, 1931/32 ein neues Zoologisches Institut zu errichten, womit die Raumnot beendet und für unsere Forschungen neue Möglichkeiten geschaffen waren.

Nachdem das Institut gegen Ende des Zweiten Weltkrieges durch Bomben weitgehend zerstört worden war, folgte ich 1946 einem Ruf nach Graz (Österreich), kehrte aber 1950 nach München zurück, wo das Institut inzwischen notdürftig instandgesetzt worden war.
1958 wurde ich emeritiert, setzte aber meine wissenschaftlichen Arbeiten gemeinsam mit früheren Schülern fort.
Meine Arbeiten betrafen die Sinnesphysiologie und das Verhalten der Tiere, insbesondere bei Fischen und Bienen. Durch Farbwechselstudien wurde ich auf die Farbenanpassung und das Farbensehen der Fische geführt, wie auch zum Nachweis des damals bestrittenen Farbensehens der Bienen. Weitere Arbeiten betrafen den Geruchsinn der Bienen und seine blütenbiologische Bedeutung, es gelang der Nachweis eines Hörvermögens der Fische und seine genauere Analyse und die Entdeckung eines Schreckstoffes in der Fischhaut. Die Entdeckung der Tanzsprache der Bienen führte weiter zu dem überraschenden Befund, daß sie die Schwingungsrichtung des polarisierten Himmelslichtes wahrnehmen und zu ihrer Orientierung benützen, und daß diese Fähigkeit bei Gliederfüßern eine weitverbreitete Leistung ist.

Ich erhielt den Ehrendoktor von der Universität Bern, Schweiz (1949), der Technischen Hochschule Zürich (1955), der Universität Graz, Österreich (1957), der Harvard University, USA (1963), der Universität Tübingen (1964) und der Universität Rostock, DDR (1969). Ich bin Mitglied oder Ehrenmitglied zahlreicher Akademien und gelehrter Gesellschaften. An anderen Auszeichnungen seien erwähnt der Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste (1952), der Kalinga-Preis (1959), das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst (1960), der Balzanpreis für Biologie (1963), der Nobelpreis für Medizin oder Physiologie (1973), das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (1974).

Es war mir stets daran gelegen, die Ereignisse wissenschaftlicher Forschung in allgemein verständlicher Form auch dem Laien nahezubringen. So entstanden die Bücher "Aus dem Leben der Bienen" (Springer, Berlin 1927, 9. Auflage 1977), "Du und das Leben" (Ullstein, Berlin 1936, 19. Auflage 1974), "Erinnerungen eines Biologen" (Springer, Berlin Göttingen Heidelberg 1957, 3. Auflage 1973), "Tanzsprache und Orientierung der Bienen" (Springer, Berlin Heidelberg New York 1965), "Ausgewählte Vorträge" (BLV, München 1970), "Tiere als Baumeister" (Ullstein, Berlin 1974), "Zwölf kleine Hausgenossen" (Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbek 1976).
Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten sind in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften erschienen.

München, 1. Mai 1980
Karl von Frisch