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Dynamisches Wachstum – was vereint Wachstumsprozesse von Zellen und ganzen Ökosystemen?

Wachstumskurve einer statischen Bakterienkultur. Illustration: Michał Komorniczak (CC BY-SA 3.0)

Die Alexander von Humboldt-Stiftung hat Dr. Ian A. Hatton mit einem Humboldt-Forschungsstipendium ausgezeichnet und fördert einen zweijährigen Aufenthalt am Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften in Leipzig, den Hatton der Untersuchungen der Skalierung biologischer Systeme und deren Wachstumsdynamik widmet. In einem gemeinsamen Projekt mit dem Max-Planck-Arbeitsgruppenleiter Dr. Matteo Smerlak wird der Post-Doktorand biologische Wachstumsdynamiken in einer Vielzahl von Systemen und Skalen erforschen mit dem Ziel gemeinsame Aspekte ihrer Entwicklung zu entschlüsseln.

Wachstumsdynamiken sind in einer Vielzahl von Systemen innerhalb der Biowissenschaften von Relevanz. Die zugrundeliegenden Prinzipien finden in allen möglichen Ordnungsebenen Anwendung: von Organellen, zu Zellen, Geweben und kompletten Organismen bis hin zu Populationen und letztendlich kompletten Ökosystemen. Eine Vielzahl von Wachstumseigenschaften findet sich spezies- und systemübergreifend wieder. Ein Verständnis der Struktur und Stabilität dieser gemeinsamen Aspekte der Wachstumsdynamiken erlaubt einzigartige Einblicke in biologische Theorien von ökologischen Interaktionen bis hin zu evolutionären Prozessen. Neben dem Wissen über die Prinzipien, die zu universellen Mustern über weitreichende Organisationsskalen führen, könnte eine tiefergehende Einsicht in die natürlichen Wachstumsprozesse auch Faktoren aufdecken, die zu unregelmäßiger Embryonalentwicklung oder zur Krankheitsverbreitung beitragen.


Jüngste Forschungen von Hatton haben gezeigt, dass das Wachstum von Embryonen, Individuen, Populationen und Lebensgemeinschaften einem scheinbar universellen Potenzgesetz mit einem Exponenten von ca. ¾ folgt. Diese erstaunliche und unerwartete Gemeinsamkeit umspannt über 20 Größenordnungen von Bakterien bis zu Walen und ist damit sehr aussagekräftig. In den letzten Jahrzehnten nahmen Forscher an, dass sich dieses Muster aus dem Skalenverhalten der Körpermasse im Bezug zur metabolischen Aktivität ergibt. Zunächst wurde die Limitierung der Wärmeableitung die sich durch die Skalierung des Oberflächen-Volumens Verhältnisses ergibt, später dann der Aufbau der vaskulären Versorgung als Erklärung herangezogen. Die Arbeiten von Hatton und Kollegen haben stattdessen gezeigt, dass sich der Stoffwechsel dem Wachstum anpasst und damit die lang angenommene Kausalität auf den Kopf gestellt. Demzufolge ist weitere Forschung vonnöten um die zugrundeliegenden Ursachen für diese Gemeinsamkeiten der Wachstumsskalierung aufzudecken.

Ian A. Hatton studierte zunächst Biologie an der McGill University in Montreal, Kanada. Nach seiner Promotion arbeitete er am National Institute for Mathematical Sciences in Südkorea und als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Princeton University, USA. Bevor er seine Stelle am Leipziger Max-Planck-Institut antrat, forschte er am Institut de Ciència i Tecnologia Ambientals in Barcelona, Spanien. Das Humboldt-Forschungsstipendium erlaubt ihm Zugang zu Ressourcen und zu Kollaborationsnetzwerken, die zur Untersuchung der vereinigenden Aspekte der biologischen Dynamik über einer Vielzahl von verschiedenen Systemen unabdingbar sind. Seine Expertise in Bezug auf physiologische und ökologische Prozesse wird das gemeinsam mit dem Sofja-Kovalevskaja-Gruppenleiter Matteo Smerlak betriebene, ambitionierte Projekt entscheidend vorantrieben.

Neben der Erforschung der Ursachen für die Überschneidungen im Skalenverhalten plant Hatton auch die Auswirkungen in verschiedenen Systemen zu untersuchen. Gemeinsam mit Smerlak gelang es ihm bereits, die Entwicklung von Raubtier-Beute-Beziehungssystemen in unterschiedlichen Biomen darzustellen. In Zukunft wollen sie auch ein tieferes Verständnis der Wachstumsskalierung von wettbewerblichen Interaktionen in ökologischen und evolutionären Dynamiken entwickeln. Zudem plant er die Wachstumsdynamik der Tumorentwicklung im Hinblick auf verschiedene Krebsarten zu untersuchen.

Die Alexander von Humboldt Stiftung fördert akademische Zusammenarbeit und interkulturellen Dialog zwischen Wissenschaftlern aus Deutschland und dem Ausland mittels akademischer Austauschprogramme. Jedes Jahr werden von der Humboldt Stiftung mehr als 2000 hervorragende Wissenschaftler der ganzen Welt für einen Forschungsaufenthalt nach Deutschland eingeladen. Diese hoch angesehenen Stipendien haben schon zu zahlreichen langandauernden Kollaborationen geführt. Das akademische Netzwerk der Humboldt Stiftung umfasst mehr als 29000 Alumni in 140 Ländern.

(Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften - MPIMIS)


Originalpublikation:Linking scaling laws across eukaryotes erschienen in "Proceedings of the National Academy of Sciences"
DOI: 10.1073/pnas.1900492116